Die Lebküchnerin
unbändige Wut auf seinen Bruder in sich aufsteigen. Julian hätte nicht einfach das Weite suchen dürfen.
»Es ehrt Euch, dass Ihr Euch um mich sorgt, aber ich möchte als Brunhild weiterleben. Das andere Leben habe ich hinter mir gelassen. Und weil Julian mich nicht mehr zu seiner Frau machen kann, wird es mir für alle Zeiten verwehrt sein, ein Leben zu führen, wie es meinem Stand gebührt. Darf ich jetzt die Gewürze sehen?«
»Folgt mir!«, erwiderte Konstantin knapp, während er mit den Gedanken ganz woanders war. Er bedauerte mit einem Mal, seinem Bruder den Schwur verweigert zu haben. Wie einfach wäre es dann gewesen, um ihre Hand anzuhalten und zu erklären, dass sein Bruder dies auf dem Sterbebett von ihm verlangt habe. Wie hätte er auch ahnen können, dass diese junge Frau sein Verlangen weckte, wie es vor ihr noch keine geschafft hatte. Sie war schön, sie war mutig, sie war eigensinnig …
»Es riecht unglaublich gut!«, rief Benedicta begeistert. Sie waren im Hof angelangt, und die Düfte wurden stärker, doch als Konstantin die Tür zum Lagerhaus öffnete, wurden sie nahezu eingehüllt von einer Wolke aus fremden Gewürzen.
»Es duftet wie eine Blume des Orients!«, jauchzte Benedicta und hüpfte wie ein kleines Kind von Korb zu Korb, von Tiegel zu Tiegel und von Schale zu Schale.
»Was für eine satte Farbe sie haben«, rief sie aus, griff in die Schale mit Kardamom und ließ die grünen Kapseln durch die gespreizten Finger gleiten.
»Verratet mir – was ist dies? Es duftet betörend, und ich bin mir sicher, ich habe es schon einmal gerochen.« Sie stippte eine Fingerspitze in das gelbe Pulver und kostete. »Das ist Ingwer! Mein Vater brachte es einmal von einer Reise mit. Es muss im Lebkuchen köstlich schmecken.« Vor Begeisterung hatte Benedicta rote Wangen bekommen.
»Wollt Ihr nicht auch ein wenig Piment mitnehmen? Es soll gut zum Backen sein, habe ich mir von einem Bäcker sagen lassen.«
»Herrlich!«, schwärmte sie, nachdem sie daran gerochen hatte.
»Und ein wenig Koriander vielleicht?«
»Ach, es ist hier wie im Himmel!«
Konstantin lächelte. Ihre Freude war ansteckend, zumal das Lagerhaus auch einer seiner Lieblingsorte war und ihn die Macht der Düfte einst von der Burg weg zu seinem Onkel getrieben hatte.
»Und ich kann wirklich von allem etwas mitnehmen?«, fragte sie ungläubig.
»So viel, wie Ihr tragen könnt. Der Händler hat uns gerade beliefert.«
Er reichte ihr einige kleine Holzgefäße und ließ sie die Gewürze abfüllen.
Als sie fertig war, hatte sie sich an sechs verschiedenen Gewürzen bedient: an Anis, Ingwer, Kardamom, Koriander, Piment und Zimt.
»Das ist ja üppiger als im Kloster!«, rief sie begeistert aus.
»Das ist wohl wahr«, mischte sich eine dunkle Männerstimme ein. Hastig drehte sich Benedicta um. Ein älterer Mann, der Konstantin entfernt ähnlich sah, stand da in der Tür, die Hände in die Hüften gestemmt.
»Was geht hier vor? Du siehst mir nicht so aus, als könntest du dir diese teuren Gewürze auch leisten.«
Vor Empörung holte Benedicta tief Luft, aber dann begriff sie, dass sie Brunhild war und dem Gewürzhändler lieber freundlich begegnen sollte.
»Onkel, Ihr irrt. Sie hat die Gewürze bereits bezahlt. Sie sind für einen unserer besten Kunden bestimmt. Brunhild ist die Magd, die sie abholt.«
»So, so«, murmelte der Gewürzhändler und verschwand grußlos.
»Die Magd, die sie abholt«, kicherte Benedicta, als die Schritte von Konstantins Onkel verhallt waren, doch dann wurde sie wieder ernst. »Ihr bekommt meinetwegen doch hoffentlich keinen Ärger mit Eurem Onkel!«
»Nein, er sieht nur nicht gern Fremde in seinem Handelshaus. In der Regel liefern seine Gehilfen die bestellte Ware an die Kunden. Soll ich Euch die Gewürze vorbeibringen?«
»Das schaffe ich schon allein«, erwiderte Benedicta hastig.
»Ich soll nicht erfahren, wo Ihr wohnt, nicht wahr?«
Benedicta bekam rote Ohren, denn er hatte sie durchschaut. »Es ist besser so.«
»Gut, habt Ihr sonst noch Wünsche?«
»Ja, aber damit kann ich Euch nicht behelligen.«
»Nur heraus damit! Was fehlt Euch?«
»Zucker und ein Hostieneisen.«
Konstantin lachte. »Mit Zucker handeln wir, aber nicht mit Hostieneisen. Mögt Ihr mir verraten, wozu Ihr dieses benötigt?«
»Der Lebkuchenteig klebt im Ofen fest, wenn wir ihn nicht auf Oblaten gießen, und …«
»… und da habt Ihr Euch im Kloster mit dem Hostieneisen beholfen.« Er wollte sich ausschütten vor
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