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Die Lebküchnerin

Die Lebküchnerin

Titel: Die Lebküchnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Schrödter
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auch nicht auftreiben, dafür verwendeten sie mehr Honig als sonst. Benedicta dankte Gott, dass Agnes Oblaten herstellen konnte, aber das Hostieneisen fehlte ihnen doch sehr. Agnes presste den Teig daher zwischen zwei erhitzte runde Eisendeckel. Dabei verbrannte sie sich zwar die Finger, aber das Ergebnis ließ sich einigermaßen sehen.
    Gieselbert und Anselm backten, während die beiden Frauen mit dem Meisterstück beschäftigt waren, fleißig Anisbrot. Das wiederum hatte Benedicta auf den Gedanken gebracht, dem Lebkuchenteig auch Anis beizufügen, obwohl auch der Anissamen allmählich zur Neige ging.
    Seit Agnes ihrem Anselm zugeflüstert hatte, dass sie ein Geheimrezept aus dem Kloster backen werde, hatte er mehr Zutrauen in das Vorhaben der beiden Frauen gewonnen. Außerdem konnte er Agnes keine Bitte abschlagen. Sie hatte ihm gut zugeredet, die Herren der Zunft mit einem wahren Gaumenkitzel zu überraschen. Nach Meister Burchards Lobpreis auf den jungen Heller hatten nämlich alle einstimmig dafür gestimmt, dass Anselm das Bäckerhaus bekam.
    Es war ein feierlicher Augenblick, als Benedicta und’ Agnes die fertigen Lebkuchen aus dem Ofen holten. Sie kosteten die ersten Bissen. Benedicta war ein wenig enttäuscht, weil die klösterlichen Lebkuchen ihr besser gemundet hatten. Auch Agnes schien mit dem Ergebnis nicht ganz zufrieden zu sein, doch die verzückten Gesichter der beiden Männer überzeugten sie davon, dass alles gut war. Nur schade, dass sie noch nicht mehr backen konnten, da ihnen die Gewürze fehlten.
     
    In dieser Nacht schlief Benedicta schlecht. Seit der Hochzeit von Agnes und Anselm bewohnte sie eine kleine Kammer im Obergeschoss ganz für sich allein. Während sie sich auf ihrem Lager hin und her warf, überlegte sie fieberhaft, wie sie weitere Gewürze beschaffen konnte. Anselm besaß nicht genug Geld, damit sie teure Einkäufe tätigen konnte. Und wo bekam sie ein Hostieneisen her?
    Erst als der Morgen graute, wusste sie, was zu tun war. Es würde sie zwar viel Überwindung kosten, Julians Bruder um Hilfe zu bitten, aber hatte er ihr seine Unterstützung nicht angeboten? Und hatte er nicht erwähnt, er wohne beim Gewürzhändler Berthold von Ehrenreit? Wenn sie ihren Stolz überwand, dann für eine gute Sache.
    Ihre Gedanken wanderten zu Julian. Sie schaffte es nicht, ohne Groll an ihn zu denken. Seinetwegen war sie aus dem Kloster geflüchtet. Benedicta schluckte trocken. War sie wirklich seinetwegen geflüchtet? Hatte sie das Klosterleben nicht schon vorher gehasst und sich gewünscht, eines Tages frei zu sein? Und war es nicht die Priorin gewesen, die sie auf die Flucht geschickt hatte? Weil jemand den Kuss beobachtet hatte? Ihr wurde heiß, aber nicht vor Verlangen, sondern vor Scham. Sie hatte ihn zuerst geküsst, nicht er sie! Und trotzdem verstand sie nicht, warum er ihr schöne Augen gemacht hatte, obwohl er längst einer anderen die Ehe versprochen hatte. Nein, das würde sie ihm niemals verzeihen.
    Krampfhaft versuchte sich Benedicta an sein Gesicht zu erinnern, an seine Stimme, doch es wollte ihr nicht gelingen. Jedes Mal stand sein Bruder vor ihrem inneren Auge. Sein kantiges Gesicht, seine grünen Augen, sein dichtes blondes Haar … Benedictas Herz schlug schneller. Vor lauter Schreck fuhr sie zusammen. Ich denke doch nicht etwa voller Verlangen an Julians Bruder?
    Nein, sagte sie sich streng, nein, er hat mir meinen Hund genommen, er hat das Pferd getötet, er hat den Klosterknecht erschlagen … Aber hatte sie nicht den zweiten Mann auf dem Gewissen? Trotzdem, er war überheblich und eingebildet, er war …
    Benedicta atmete tief durch, während sie aufstand. Sie konnte ohnehin nicht mehr schlafen, so aufgeregt war sie bei dem Gedanken, Julians Bruder aufzusuchen. Und sollte sie ihm wirklich vertrauen und sich zu erkennen geben? Ich muss, dachte sie. Als Brunhild könnte ich ihn kaum um einen Gefallen bitten.
    Sie war nicht die Erste, die an diesem Morgen so früh aufgestanden war, und nicht die Einzige, die in der Nacht kaum geschlafen hatte.
    Auch Anselm geisterte schon durch das Haus. Er war blass, übernächtigt und hatte sich fein herausgeputzt. Heute war schließlich sein großer Tag. Er war so aufgeregt, dass er keinen Bissen hinunterbrachte. Agnes redete ihm gut zu, aber er war durch nichts zu beruhigen. Die Angst, seine Meisterprüfung nicht zu bestehen, lähmte ihn. Wenig später stand er in der Tür und machte den Eindruck, als werde ihn gleich der Büttel zu

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