Die Lebküchnerin
sicher auch verraten, nach welchem Rezept ihr diese Lebkuchen zubereitet.«
Benedicta lächelte über so viel Dreistigkeit. »Das Rezept bleibt unser Geheimnis.«
Meister Burchards Gesicht verfinsterte sich. »So einfach ist das nicht, liebe Brunhild. Man hat mich nämlich seitens der Zunft beauftragt, herausfinden, ob ihr nicht doch heimlich Weißmehl hineinmischt. Und wenn du mir das Rezept nicht freiwillig gibst, muss ich euch auf die Finger schauen. Morgen früh bin ich in eurer Backstube.«
Anselm war nicht erfreut, als er wenig später von dem bevorstehenden Besuch seines Feindes hörte, doch Benedicta war der Meinung, man solle ihm das Geheimnis der Haselnüsse ruhig verraten, aber die Gewürze verschwinden lassen. Gesagt, getan, sie arbeiteten fieberhaft daran, genügend Benedicten auf Vorrat herzustellen und diese auf dem Dachboden zu lagern, damit Meister Burchart sie auf keinen Fall in der Küche fände. Für den nächsten Morgen stellten sie alles bereit. Bis auf die Gewürze und den Zucker.
Meister Burchard stand bereits beim Schlag der sechsten Stunde in der Backstube, und Benedicta weihte ihn mit verschwörerischer Stimme in das Geheimnis des Nussteiges ein.
Meister Burchard wollte unbedingt gleich das Ergebnis sehen, aber Benedicta gab ihm den geheimen Ratschlag, der Teig müsse nun bis zum Abend ruhen. Dreimal ließ Meister Burchard sich das Rezept erklären, bis er mit der Versicherung, es sei alles in Ordnung, und er werde dies sogleich der Zunft melden, über die Gasse heimwärts eilte.
Anselm, Agnes, Gieselbert und Benedicta hielten sich die Bäuche vor Lachen bei der Vorstellung, wie Meister Burchard nun alles daransetzen würde, die Lebkuchen nachzubacken.
Zwei Tage später war es so weit. Stolz bot Meister Burchard an einem Marktstand seine Benedicten feil. Sogar den Namen für die Lebkuchen hatte er gestohlen.
Voller Spannung erwarteten Benedicta und Anselm die ersten Beschwerden, nachdem die Lebkuchen reißenden Absatz gefunden hatten. Es dauerte auch nicht lange. Dann war es so weit. Bald war der Stand von einer schimpfenden Menschenmenge umlagert.
Mit hochrotem Kopf stürzte Meister Burchard zum Stand seiner Widersacher. »Das werdet ihr mir büßen! Das melde ich der Zunft!«
Benedicta lachte. »Die Zunft hat dich nicht beauftragt, unser Rezept nachzuahmen.«
»Und mit deinen Drohungen sei schön vorsichtig!«, ergänzte Anselm. »Hast du schon vergessen, was wir alles über dich berichten könnten?«
Fluchend zog der Weißbäcker ab, und an diesem Tag verkauften sie noch mehr als sonst. Anselm war dermaßen glücklich, dass er Agnes sogar vorschlug, für Benedicta und sie selbst neue Kleider zu nähen. Bei dem Geld für das Tuch zeigte er sich erstaunlich großzügig.
Umso erschrockener war er, als am nächsten Tag einige Herren der Zunft unangekündigt das Bäckerhaus aufsuchten. Sie hatten feierliche Mienen aufgesetzt, und Anselm befürchtete das Schlimmste.
»Was können sie uns schon anhaben?«, versuchte ihn Benedicta zu trösten, aber Anselm blieb angespannt, als er die Herren in die Backstube führte.
Benedicta bat er nicht mit hinein, und sie kannte auch den Grund dafür. Als wen sollte er sie vorstellen? Doch wohl kaum als seine Frau. Und nachdem sie dies nicht war und auch das Bäckerhandwerk nicht erlernt hatte, hatte sie in der Backstube nichts verloren.
Ungeduldig wartete sie in der Diele. Je länger die Männer hinter verschlossener Tür miteinander sprachen, desto aufgeregter wurde sie. Was, wenn der Zunft nun einfiel, das Backen mit Nüssen zu verbieten?
Schließlich lauschte Benedicta an der Tür, aber sie konnte nichts verstehen. Im letzten Augenblick gelang es ihr, beiseite zu springen, als die Tür aufgerissen wurde. Es war Anselm, der ihr sichtlich vergnügt zuzwinkerte. Vor Neugier wäre Benedicta fast geplatzt.
Nun verließen auch die Besucher die Backstube und verabschiedeten sich überschwänglich von dem jungen Bäckermeister.
»Was wollten sie von dir?«, fragte sie atemlos, nachdem der letzte der Zunftmitglieder das Haus verlassen hatte.
»Sie haben mich zum Lebküchner gemacht«, erwiderte er stolz.
»Was bedeutet das?«
»Das bedeutet, dass ich in Zukunft nur noch Benedicten herstellen darf. Das Backen von Roggenbrot ist mir nunmehr verboten.«
»Das heißt, sie haben nichts an unseren Lebkuchen auszusetzen?«
»Im Gegenteil, sie sind so begeistert von dem köstlichen Gebäck, dass sie mich zum ersten Lebküchnermeister der Stadt
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