Die Lebküchnerin
geißeln, damit Ihr mir glaubt? Nun ja, ich mag sie mehr, als ich sie mögen dürfte. Das ist die Wahrheit. Und gerade deshalb würde ich ihr niemals Schaden zufügen.«
»Beweis es mir!«, erwiderte die Tante hart. »Heirate eine andere, und zwar bald. Dann wird sich ihre Hoffnung zerschlagen, dass du sie hier herausholst, und sie wird zur Einsicht kommen, dass das Kloster ihrer wahren Bestimmung entspricht.«
»Warum wünscht Ihr Euch eigentlich, dass sie so leiden muss wie einst Ihr selbst?«, fragte der junge Fechtmeister in scharfem Ton.
»Ich sage es dir zum allerletzten Mal. Wag es nicht noch einmal, die Lügen deines Vaters zu wiederholen«, zischte Leonore und fügte versöhnlicher hinzu: »Wenn du der armen Benedicta zeigst, dass du eine andere liebst, dann ist sie endlich frei, den reinen Weg zum Herrn zu finden. Bitte, tu mir den Gefallen. Das ist doch nicht so schwer. Du bist ein hübscher, wohlgestalteter junger Mann.« Sie errötete leicht, während sie die letzten Worte sprach.
»Gut, ich heirate eine andere«, erwiderte Julian matt. »Aber nur, wenn Ihr sie spätestens an jenem Tag, da ich eine andere zur Frau nehme, diese vermaledeiten Lebkuchen backen lasst.«
»Schwör es!«
»Ich schwöre.«
Mit diesen Worten biss er noch einmal herzhaft in einen Lebkuchen, doch er konnte die verführerische Süße nicht mehr genießen. Zu sehr lastete das Versprechen, das er seiner Tante soeben gegeben hatte, auf seiner Seele. Es war sicher nicht schwer, in Nürnberg eine Braut zu finden. Im Gegenteil, Alisa, die Tochter seines Fechtmeisters Arnold, in dessen Haus er zurzeit in Nürnberg lebte, wartete nur darauf, dass er ihr einen Antrag machte. Er mochte das hübsche Mädchen mit den blonden Locken, das ihm sicherlich eine brave Ehefrau sein würde, aber würde sein Herz je so heftig für sie schlagen wie für Benedicta? Wenn er an Benedicta dachte, fiel ihm nicht als Erstes ein, dass sie ihm eine brave Frau wäre, sondern sein Körper sprach unmittelbar auf sie an. Ja, er begehrte sie – und nicht etwa Alisa, die er nicht erst erobern musste.
»Ich verlasse mich auf dein Wort«, mahnte seine Tante ihn.
Welch dummer und leichtsinniger Schwur!, dachte Julian zornig, kurz nachdem seine Tante die Kammer verlassen hatte. Sein Zorn galt vor allem seinen eigenen Worten, aber auch dem Drängen der Tante. Warum bin ich nur stets bestrebt, ihr zu Gefallen zu sein?, fragte er sich verzweifelt.
13
Seit geraumer Zeit überlegte Julian, wie er sein voreiliges Versprechen wohl widerrufen könne, ohne seine Tante noch mehr gegen sich aufzubringen.
Ich sage ihr einfach, wie es ist. Dass ich das Mädchen, das ich auf der Stelle zur Frau nehmen könnte, nicht liebe, beschloss er schließlich und machte sich ohne Zögern auf den Weg zu ihrer Amtskammer.
Sie musterte ihn bereits bei seinem Eintreten so durchdringend, dass er es kaum wagte, sofort mit seinem Anliegen herauszuplatzen.
»Nun, was gibt es?«, fragte sie forschend.
»Ich … ich, liebe Muhme, ich …«, stammelte Julian.
Ein lautes Gepolter von draußen erlöste ihn von seinem Gestammel. Erregte Stimmen näherten sich, und schon klopfte jemand heftig an die Tür.
»Tretet ein!«, bat Leonore höflich, und kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, da stolperte bereits Bruder Asenius, der die Küche im Nürnberger Predigerkloster unter sich hatte, in die Kammer und grüßte die Priorin mit ehrerbietiger Verneigung.
Dann hielt der Ordensbruder schnaufend inne. Er war ein untersetzter kleiner Mann mit einem riesigen Leibesumfang und damit das ganze Gegenteil zur hoch gewachsenen, schlanken Priorin, die jetzt aufgestanden war, um ihn ebenfalls zu begrüßen.
»Ihr seid noch blass vom langen Krankenlager. Was führt Euch her?«, fragte die Priorin und musterte den schwitzenden Mönch eindringlich.
Dieser schnaufte noch ein paarmal, bevor er die Sprache wiederfand. »Mich schickt unser höchster Herr, der ehrwürdige Provinzial. Ich soll Euch eine Botschaft überbringen. Er bittet inständig darum, dass die Lebkuchen fortan nicht mehr von uns hergestellt werden, jetzt, da Bruder Antonius von uns gegangen ist, dessen Aufgabe das Backen bekanntlich war. Die Fastenspeise soll vielmehr in Eurer Küche zubereitet werden.«
Zweifelnd betrachtete Leonore den Besucher. »In unserer Küche?«, fragte sie gedehnt.
»Ja, genau, der ehrwürdige Provinzial war begeistert von den neuen Lebkuchen, die Ihr uns geliefert habt, und er hätte gern mehr davon. Eure Küche
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