Die Lebküchnerin
versprach es und schwieg eine Weile, bis er plötzlich fragte: »Verratet mir nur eines: Ist Schwester Benedicta aus freien Stücken hier?«
Leonore versteckte sich wieder hinter ihrer strengen Miene. »Es war der letzte Wunsch ihres Vaters«, bemerkte sie scheinbar unbeteiligt. »Nachdem er vor fünf Jahren gestorben war, brachte ihre Stiefmutter sie hierher. Als ich das Mädchen unter vier Augen sprach, offenbarte es mir unter Tränen, dass es nach Hause wolle. Damals zweifelte ich daran, ob es wirklich dem Willen des Vaters entsprach, sie ins Kloster zu bringen. Ich schickte der Stiefmutter einen Boten und bat um eine Unterredung. Zu diesem Gespräch brachte sie ein Dokument mit, worin der Vater eindeutig verfügte, dass seine Tochter nach Engelthal gebracht werden solle. Dafür vermachte er uns einen kleinen Teil seines Vermögens. Du musst wissen, er besaß ein angesehenes Handelshaus …«
»Und den großen Teils seines Vermögens? Wer verwaltet den?«, fuhr Julian ungeduldig dazwischen.
»Der Sohn jener Stiefmutter. Er ist ein ehrbarer Kaufmann aus Regensburg und spendet jedes Jahr für unser Kloster.«
»Regensburg? Und warum hat man sie nicht dort ins Kloster gegeben? Mit Verlaub, liebe Tante, hier stimmt etwas nicht. Schwester Benedicta ist von Grund auf ehrlich und hat ein großes Herz. Wenn sie sich den Regeln nicht unterwirft, dann nur aus einem Grund: Sie gehört nicht hierher!«
»Julian, wir wollen uns nicht schon wieder über Schwester Benedicta streiten. Ich habe dir beim letzten Mal deutlich gesagt, dass du nicht einmal das Wort an sie richten darfst.«
Julian stöhnte übertrieben auf.
»Ich kann dir nur das eine raten«, fuhr Tante Leonore fort. »Tu, was ich dir sage. Glaubst du wirklich, mir sei entgangen, dass du dein Herz an Schwester Benedicta verloren hast? Aber ich sage es dir ein letztes Mal im Guten: Kümmere dich nicht um ihr Schicksal. Wenn du ihr etwas Gutes tun willst, dann lass sie endlich in Ruhe. Wie oft muss ich dir das noch sagen? Sie hat das Gelübde abgelegt. Sie kann ihrem Versprechen nicht mehr entfliehen. Jedes Wort, das du ihr schenkst, macht sie schwankend. Also, gib mir dein Ehrenwort, dass du Schwester Benedicta in Zukunft meidest. Solange du ihr zeigst, wie sehr du sie magst, fühlt sie sich nicht als Braut Christi, sondern verzehrt sich danach, in deinen Armen zu liegen. Glaubst du, das ahne ich nicht?«
»Gut«, seufzte der junge Fechtmeister nach dieser beschwörenden Predigt seiner Tante widerwillig. »Ich lasse sie in Ruhe, aber nur dann, wenn Ihr dem Mädchen zugesteht, weiterhin diese köstlichen Lebkuchen zu backen.« Er sah seine Tante gewinnend an, sie aber wandte sich unwirsch von ihm ab.
»Nein, nein und noch einmal nein! Wenn ich ihr das durchgehen lasse, dann verlangt sie über kurz oder lang, dass ich ihr gestatte, über die Klostermauern hinwegsehen zu dürfen. Und das ist unmöglich, Julian! Bitte glaub mir, sie ist hier in guten Händen …«
»Ja, zum Dank dafür, dass sie Euch diese Köstlichkeiten schenkt, sperrt Ihr sie in die kalte Zelle ein.«
»Mein Junge, ich setze alle Hoffnung darauf, dass auch dieses Kind schließlich seine gottgewollte Bestimmung findet, so wie ich es einst geschafft habe. Sieh her, ich bin die Priorin …«
Leonore unterbrach sich hastig und lief rot an.
»Gottgewollt?«, schimpfte Julian. »Es war Euer Vater, der dies bestimmte. Und Hand aufs Herz, ehrwürdige Tante, konntet Ihr den Ritter tatsächlich jemals ganz vergessen?«
Zornflammend rang Leonore nach Luft. »Was erlaubst du dir?«, schrie sie, und ihr schönes, ebenmäßiges Gesicht, an dem das Alter beinahe spurlos vorübergegangen war, verzerrte sich zu einer hässlichen Fratze. »Habe ich dich nicht gerade erst angehalten, diesen Unsinn, den dein Vater über mich verbreitet, für dich zu behalten?«
»Ja schon«, erwiderte Julian ungerührt, und er fügte versöhnlicher hinzu: »Aber könnt Ihr dieses Mädchen nicht wenigstens aus Mitgefühl und weil Ihr wisst, wie schwer es ist, den weltlichen Verzicht zu üben, ihre Lebkuchen backen lassen? Wenn ich Euch hoch und heilig verspreche, nie mehr auch nur ein einziges Wort an sie zu richten, werdet Ihr sie dann zurück in die Küche lassen?«
Leonore lachte gequält auf. »Könntest du deinen Blick sehen, wenn du nur von ihr sprichst! Deine Augen sind gierig wie die unserer Schweine, wenn wir ihnen Futter geben.«
»Soll ich mich vor Euch auf die Knie werfen, in der Kirche schwören oder mich
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