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Die Lebküchnerin

Die Lebküchnerin

Titel: Die Lebküchnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Schrödter
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traurig, weil der Fechtmeister sich ebenso wenig versündigen wird wie ich mich selbst. Ich bin eine Gefangene, und das werde ich ewig bleiben.
    Wenn man mich wenigstens meine Lebkuchen zubereiten ließe, schoss es ihr durch den Kopf. Da hörte sie, wie der Schlüssel an der Außenseite der Tür umgedreht wurde. Das konnte nur Agnes sein, die ihr jeden Tag heimlich ein Stückchen Brot oder einen Lebkuchen in die Zelle brachte.
    Gebannt sah Benedicta zur Tür und erstarrte. Nicht nur die Köchin betrat hastig die Zelle, sondern ihr folgte auf den Fuß der Fechtmeister, der die Tür leise hinter sich zuzog und ihr ein Zeichen machte, keinen Laut von sich zu geben.
    »Was wollt Ihr denn hier?«, flüsterte Benedicta, nachdem sie sich von ihrem ersten Schrecken erholt hatte.
    »Ich bringe Euch eine gute Nachricht«, erwiderte der Fechtmeister, während Agnes ihr den Kanten Brot reichte, den Benedicta mit Heißhunger hinunterschlang.
    »Hört gut zu! Eben war Bruder Asenius im Auftrag des Provinzials bei meiner Tante. Der Provinzial bittet sie um etwas, was so viel heißt, als dass er es fordert. Also, die Lebkuchen sollen fortan in Engelthal hergestellt werden, und zwar genau so, wie sie vor zwei Tagen geliefert wurden. Und das nicht nur zum Verzehr in den Klöstern, sondern auch zum Verkauf auf dem Nürnberger Markt.«
    Benedicta wollte kaum glauben, was sie da aus Julians Mund hörte. »Aber das bedeutet ja, dass ich die Herstellung beaufsichtigen muss, weil ich doch als Einzige das Rezept …« Sie stockte und sah fragend zu Agnes hinüber.
    Die lächelte verschmitzt. »Du meinst, es sei denn, ich würde das Rezept kennen. Tja, das tut mir leid. Ich bedaure meine Dummheit, aber ich kann mir so etwas einfach nicht merken. Doch, halt, da fällt es mir wieder ein. Man nehme Mehl, mische es mit Zimt und Kardamom. So habe ich es bei der ehrwürdigen Schwester Dietlinde gelernt.«
    Da brach Benedicta in ein lautes, befreiendes Lachen aus. Julian, der gar nicht genug davon bekommen konnte, Benedicta wieder glücklich zu sehen, fiel in das Lachen ein.
    »Habt acht«, ermahnte Agnes die beiden. »Wenn Walburga einen Mann aus deiner Zelle lachen hört, meldet sie dies sogleich beim Provinzial.«
    Augenblicklich verstummten Benedicta und Julian, aber ihre Augen lachten weiter. Dabei sahen sie einander inniglich an.
    »Bringt Euch nicht unnötig in Gefahr«, raunte Agnes Julian zu. »Wir müssen dich jetzt leider wieder verlassen. Und tu nur recht überrascht, wenn die Frau Priorin es dir später mitteilt.«
    »Sie hat recht«, murmelte Benedicta und konnte den Blick doch nicht von dem Fechtmeister lassen. Ihm schien es genauso zu ergehen. Ich möchte ihn nur ein einziges Mal berühren, dachte sie voller Sehnsucht, und ohne groß zu überlegen, hob sie die Hand und streichelte ihm zärtlich über die Wangen.
    »Habt Dank, dass Ihr mir diese Botschaft überbracht habt«, hauchte sie. Täuschte sie sich, oder verfärbte sich das kantige Gesicht des Fechtmeisters über und über rot?
    »Ich … ja, das habe ich doch gern getan. Ich … wenn es Euch nur gut geht, dann geht es mir auch gut«, gestand er ihr stammelnd. Und ehe er sichs versah, küsste Benedicta ihn auf den Mund.
    Sie war selbst am meisten überrascht von ihrem Mut, und als sie sein verdutztes Gesicht sah, flüsterte sie: »Verzeiht mir, aber ich wollte ein einziges Mal im Leben etwas anderes küssen als ein Bildnis.«
    Julian schien sich schnell wieder gefasst zu haben. Er strahlte über das ganze Gesicht und hauchte verträumt: »Oh, für so etwas Himmlisches müsst Ihr Euch nicht entschuldigen …«
    »Bitte, seid doch nicht so leichtsinnig! Lasst uns fortgehen, bevor wir entdeckt werden«, unterbrach Agnes das zärtliche Geplänkel, das sie peinlich zu berühren schien.
    »Gehabt Euch wohl, und vergesst mich nicht, denn wir werden uns niemals wiedersehen. Ich muss vernünftig sein und das Kloster noch heute verlassen«, verkündete Julian mit ernster Miene.
    Benedicta seufzte. »Es wird das Beste sein, aber geht nicht, ohne dass ich Euch verrate, wie gern ich Euch folgen würde, denn mein größter Wunsch wäre …«
    Sanft legte ihr Julian einen Finger auf den Mund. »Bitte sagt es nicht, denn sonst entführe ich Euch auf der Stelle und …«
    In diesem Augenblick flog die Tür auf, und die Priorin stürzte in die Kammer. Entgeistert blieb sie stehen, als sie ihres Neffen gewahr wurde. Kurz wanderte ihr zorniger Blick zu Agnes, nachdem sie durch Benedicta

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