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Die Lebküchnerin

Die Lebküchnerin

Titel: Die Lebküchnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Schrödter
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soll das Gebäck in Zukunft allein herstellen.« Letzteres klang ein wenig beleidigt.
    »Und warum fahrt Ihr nicht fort mit der Fertigung, die doch schon so lange in Händen Eures Klosters liegt? Warum wollt Ihr keine Lebkuchen mehr backen? Ihr kennt doch das Rezept des verblichenen Bruders Antonius, oder?«, fragte Leonore spitz.
    »Das frage ich mich auch«, entgegnete der Mönch sichtlich verärgert. »Natürlich könnte ich sie ebenso gut backen lassen. Und sie haben doch stets gemundet. Ein wenig mehr Honig hineinzumischen, ist schließlich keine Kunst. Was soll denn an Euren besser sein als an meinen?«
    »Das wüsste ich auch gern«, murmelte die Priorin und warf ihrem Neffen, dessen Mund sich zu einem breiten Grinsen verzogen hatte, einen mahnenden Blick zu.
    »Der Provinzial hat mir aufgetragen, Euch zu bestellen, man wolle die Lebkuchen in Zukunft genauso wohlschmeckend wie die letzte Lieferung. Und stellt Euch vor, für das Kloster will er die doppelte Menge, und dann möchte er sie sogar auf dem Markt verkaufen lassen. Er glaubt, damit ließen sich unsere Kassen füllen. Ich habe ja noch nicht einmal einen dieser Lebkuchen kosten können, weil ich krank daniederlag. Und als ich wieder auf den Beinen war, hatte man sie restlos verzehrt. Ja, man verlangt sogar, dass die Oblaten weiter mit Eurem Hostieneisen hergestellt werden.«
    »Wie bitte?«, fragte die Priorin sichtlich entsetzt.
    Julian sah seine Tante triumphierend an. »Genauso wohlschmeckend sollen sie werden wie die letzte Lieferung? Und die doppelte Menge?«, fragte er spöttisch.
    »Genauso!«, schnaufte der dicke Mönch.
    »Sagt Eurem altehrwürdigen Provinzial, dass wir unser Bestes tun werden«, entgegnete die Priorin steif.
    »Nicht Euer Bestes«, ergänzte der Mönch heiser. »Er will fortan genau jene, die er vor zwei Tagen bekommen hat. Weiß der Teufel, was die Brüder an diesen Lebkuchen finden. Es geht das Gerücht, einige hätten so lange davon gegessen, bis sie …« Er machte eine eindeutige Geste, die besagte, dass die Brüder sich bis zum Erbrechen überfressen hatten.
    »Selbstverständlich wird die Schwester, die das vollbracht hat, ihr Wunderwerk wiederholen«, versicherte Julian. »Soll ich ihr schon einmal die freudige Nachricht überbringen, dass sie dringend in der Küche gebraucht wird? Ich meine, sie muss sich sputen, wenn sie die doppelte Menge backen soll …«
    »Untersteh dich!«, zischte Leonore.
    Verwirrt blickte der Mönch von der Tante zum Neffen.
    »Meine Muhme wollte sagen, dass sie der Schwester sogleich höchstpersönlich die frohe Botschaft überbringen wird, und zwar mit Freuden«, erklärte Julian mit spitzbübischem Lächeln.
    »Dann kann ich dem altehrwürdigen Provinzial also mitteilen, dass alles seinen Gang geht und dass diese Lebkuchen nun sogleich als Fastenspeise und Nachtisch hergestellt werden.«
    »Ja, das könnt ihr«, erwiderte Priorin Leonore schroff.
    Kaum hatte der Mönch unter Ehrerbietungen die Kammer verlassen, wandte sich Julian entschieden seiner Tante zu. »Und nun eilt und befreit die Arme rasch aus ihrer Zelle!«, forderte er ungeduldig.
    »Nein, mein Lieber, ich warte noch ein wenig. Solange sie braucht, um ein klein bisschen mehr Demut zu lernen«, entgegnete sie hastig, und die Kälte in ihrer Stimme schien keinen Widerspruch zu dulden.
    Deshalb zögerte Julian zunächst, ihr zu entgegnen, was ihm auf der Zunge lag, aber dann konnte er sich nicht mehr beherrschen. »Was hat Euch nur so hart gemacht? Warum mauert Ihr sie nicht gleich ein? Dann müsst Ihr Euch keine Sorge um ihren Glauben mehr machen. Ach, Muhme, schlägt denn gar kein Herz in Eurer Brust? Benedicta wollte ebenso wenig ins Kloster wie Ihr damals. Ihr teilt dasselbe Schicksal!«, rief er.
    »Ich warne dich. Wenn du noch einmal mit diesem Unsinn anfängst, den dein bösartiger Vater in die Welt setzt, dann …« Sie stockte und fügte hastig hinzu: »… und Ungehorsam, mein lieber Junge, ist eine Todsünde.«
    Mit diesen Worten drehte sie sich auf dem Absatz um und ließ ihren Neffen allein in der Amtskammer zurück.
    Julian sah ihr eine Weile verunsichert hinterher. Was war nur in sie gefahren? Sonst war sie doch immer ein Muster an Beherrschung. So wie sie sich verhält, muss doch etwas an der Sache mit dem Ritter sein, mutmaßte er, bevor er sich entschlossen auf den verbotenen Weg machte.
    Die Vorstellung, diese junge Frau, die auf ihn wie das blühende Leben wirkte, noch einen Augenblick länger eingesperrt zu

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