Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lebküchnerin

Die Lebküchnerin

Titel: Die Lebküchnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Schrödter
Vom Netzwerk:
zurückzublicken.
    Julian aber irrte sich. Noch jemand hatte das überirdische Strahlen der Liebe in Benedictas Augen gesehen, bevor sie diese geschlossen und zu zählen begonnen hatte.
    Und diese Person sah auch die tiefe Enttäuschung im Gesicht der jungen Frau, als sie bei »Zehn« die Augen öffnete und der junge Mann fort war.

16
    Benedicta schuftete Tag für Tag beinahe bis zum Umfallen in der Küche. Ihre Lebkuchen fanden reißenden Absatz. Sie hatte den Eindruck, die Nürnberger Mönche würden das Dreifache von dem verzehren, was sie sonst gegessen hatten. Bei allem Kummer um die verlorene Liebe hatte Benedicta das große Glück, dass ihr die Küchenmädchen gewogen waren. Keine von ihnen wäre jemals auf den Gedanken gekommen, die Zutaten oder die Mischung der Gewürze weiterzugeben, die sie inzwischen allesamt kannten, obwohl die Priorin tatsächlich versuchte, Theresa danach auszufragen. Die aber schwieg wie ein Grab. Bei Agnes hatte die Priorin es erst gar nicht mehr versucht.
    Benedicta schaffte es, die anderen für das Backen zu begeistern und sie mit ihrer Fröhlichkeit anzustecken. Wenn sie dann abends erschöpft im Bett lag, betete sie mehr und inbrünstiger als vorher, obwohl sie sich dem Herrn immer noch in der Küche am nächsten fühlte.
    Im Ansehen der Mitschwestern war sie merklich aufgestiegen, weil so viele von ihnen der süßen Versuchung nicht widerstehen konnten und den Genuss der Lebkuchen als willkommenen Ausgleich zu ihrem sonstigen Sehnen nach Leiden sahen. Manche klopften heimlich an die Türe, weil sie wussten, dass Benedicta ihnen immer außer der Reihe Backwerk zuschob.
    Selbst Walburga pochte so manches Mal nach Einbruch der Dunkelheit an ihre Tür, um den einen oder anderen Leckerbissen zu erbitten. Das verschaffte Benedicta jedes Mal eine gewisse Genugtuung, denn die garstige Schwester konnte ihr gegenüber von ausgesuchter Freundlichkeit sein, wenn es um die begehrten Lebkuchen ging.
    Nur wenn Benedicta nach manchem hartem Arbeitstag nicht einschlafen konnte, kehrten die wehmutsvollen Gedanken an Julian zurück, und sie zermarterte sich das Hirn mit der Frage, wie es ihm wohl erging. Natürlich wünschte sie ihm, dass er dort draußen eine richtige Braut fand, wenngleich ihr allein der Gedanke, er könne eine andere so küssen, wie er sie geküsst hatte, einen Stich ins Herz versetzte.
    Doch abgesehen von diesen nächtlichen Dämonen, die sie hin und wieder heimsuchten, war dies die schönste Zeit, die sie je im Kloster verbracht hatte. Sie wurde gebraucht und geachtet und durfte mit ihrer Hände Arbeit zum leiblichen Wohl der Mitschwestern beitragen.
    Auch an diesem Tag schuftete Benedicta bereits seit Stunden in der Küche, bis ein Schrei sie von ihrem frisch angerührten Teig hochriss. Wie Agnes und Theresa hielt auch sie inne und lauschte gespannt dem schrillen Kreischen von draußen, das immer lauter wurde und immer näher kam.
    Theresa konnte ihre Neugier nicht zügeln und lief hinaus in den Hof. Nach wenigen Minuten kehrte sie kopfschüttelnd zurück.
    »Dietlinde hat an den Innenseiten ihrer Hände blutende Male entdeckt.«
    Schon rannten alle Küchenmädchen nach draußen, um sich mit eigenen Augen von dem Wunder der offenen Wunden zu überzeugen. Benedicta und Agnes blieben ratlos zurück.
    »Sie ließe sich noch ans Kreuz schlagen, um Christi Leiden nachzueifern«, seufzte Benedicta, und die Freundin pflichtete ihr mit stummem Nicken bei. Dann machten sie sich wieder an die Arbeit. Der Teig musste geformt und auf die Oblaten gegossen werden. Da blieb keine Zeit für ein Wunder. Ein Wunder, an dessen göttlichem Ursprung Benedicta insgeheim ihre Zweifel hegte.
     
    Zur selben Zeit saß Priorin Leonore an ihrem Tisch in der Amtszelle und las befriedigt eine Botschaft des Provinzials. Darin bedankte er sich überschwänglich für die zuverlässige Lieferung der Lebkuchen und versicherte ihr, dass es den Brüdern munde und dass man fortan noch mehr davon bestelle. Wider Willen musste Leonore schmunzeln. Eigentlich war sie ganz froh, dass sich das widerspenstige Kind in den letzten Wochen so gut in die Gemeinschaft eingefügt hatte. Sie besuchte, ohne zu murren, die Gebete, in die sie sich mehr denn je vertiefte, um danach wieder in ihrer Küche zu verschwinden. Vielleicht hatte sie, Leonore, sich geirrt, und das Mädchen fand durch die Erfüllung, die ihr die Arbeit verschaffte, eher zum wahren Glauben als auf nackten Knien in ihrer Zelle.
    Es klopfte. Unmerklich

Weitere Kostenlose Bücher