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Die Lebküchnerin

Die Lebküchnerin

Titel: Die Lebküchnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Schrödter
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zuckte Leonore zusammen. Wer mochte das um diese Zeit sein?
    »Tretet ein!«, rief sie forsch.
    »Ach, Schwester Walburga, Ihr schon wieder!« Die letzten Worte bereute sie sogleich, denn es war nicht richtig, der betagten Nonne vorzuhalten, dass sie ihrer zahlreichen Besuche überdrüssig war. Und doch entsprach diese Abneigung Leonores ehrlichem Gefühl. Wahrscheinlich wollte Walburga sich nur wieder einmal über die Verfehlungen einer jungen Schwester auslassen. Leonore verachtete Walburga im Grunde ihres Herzens wegen der ständigen Verleumdungen.
    Umso erstaunter war sie, als Schwester Walburga ihr nun begeistert davon berichtete, dass Schwester Dietlinde die Male des Herrn an den Händen trug. Angesichts dieser Neuigkeit verspürte Leonore allerdings ein gewisses Unbehagen. Sie ärgerte sich maßlos darüber, dass in ihren Gedanken Benedictas ketzerische Stimme laut wurde, die da bohrend fragte: Habt Ihr es mit eigenen Augen gesehen?
    Um sich nicht in Zweifeln zu verlieren, stand Leonore entschlossen auf. »Gut, dann werde ich ihr einen Besuch abstatten, und wenn ich die Wunden mit eigenen Augen begutachtet habe, lasse ich den Provinzial holen, der Zeugnis darüber ablegen soll, dass Dietlinde diese Gnade widerfahren ist.«
    »Der Provinzial ist bereits unterwegs«, entgegnete Walburga hastig.
    Leonore musterte die Nonne verblüfft.
    »Ich habe ihn holen lassen«, ergänzte Walburga sichtlich beschämt.
    »Ihr?«, brachte Leonore vorwurfsvoll hervor.
    »Es war meine Pflicht, denn es besteht der dringende Verdacht, dass eine unserer jungen Schwestern das Keuschheitsgelübde gebrochen hat.« Walburgas Ton war unterwürfig und drohend zugleich.
    »Und warum kommt Ihr damit nicht zuerst zu mir?«, fragte Leonore vorwurfsvoll.
    Walburga wand sich. »Ach, ehrwürdige Priorin, ich habe mich so sehr gequält mit der Frage, was ich mit meinem Wissen anfangen soll, aber dann … ja, dann überwog die Sorge, Ihr könntet … also, es handelt sich um Euren Neffen …«
    Leonore wich alles Blut aus dem Gesicht. Das Herz pochte ihr bis zum Hals. Bitte, lass es nicht wahr sein, betete sie inständig, aber dann erlangte sie ihre Fassung zurück und funkelte die Nonne zornig an. »Ich verstehe nicht ganz, was Ihr mir damit sagen wollt. Mein Neffe, der Fechtmeister Julian von Ehrenreit, ist bereits seit mehr als drei Wochen fort. Was versucht Ihr ihm anzuhängen?«
    »Es tut mir leid, hochehrwürdige Priorin, aber ich war Augenzeugin, als er die Schwester Benedicta … also etwas Furchtbares …« Sie brach ab, doch Leonore forderte sie ungeduldig auf, ihr auf der Stelle zu sagen, was sie Furchtbares hatte mit ansehen müssen.
    »Er hat sie auf den Mund geküsst!«, platzte Walburgas schließlich heraus, und ihre Blicke funkelten geradezu triumphierend.
    »Und das würdet Ihr vor dem Provinzial beschwören?«
    Walburga hob beschwörend die Hände gen Himmel. »Ich muss, hochwerte Priorin, ich muss, denn Unkeuschheit ist eine Todsünde, und wir können die Schwester nicht mehr länger in unserer Mitte dulden. Sie muss bestraft werden, denn sie fielen übereinander her wie die Tiere. Das durfte ich dem ehrwürdigen Provinzial doch nicht verheimlichen, oder?«
    »Aber Ihr wisst schon, dass der Provinzial große Stücke auf ihre Lebkuchen hält?« Leonore war nach Kräften bemüht, sich auf keinen Fall anmerken zu lassen, wie diese Nachricht sie erschütterte.
    Walburga zischte voller Verachtung durch ihre Zähne. »Das weiß doch hier jeder, und umso wichtiger ist es, dass ihm die Augen geöffnet werden.«
    Leonore straffte die Schultern und fragte mit letzter Kraft: »Und Ihr könnt beschwören, dass die beiden …?«
    »Ich höre zwar manchmal nicht mehr so gut, aber die Augen, die wollen noch«, erwiderte Walburga mit selbstgefälligem Lächeln.
    Ich muss ihr die Beobachtung ausreden, ging es Leonore durch den Kopf, doch da waren von draußen dröhnende Männerstimmen zu hören. Zu spät, dachte sie, denn ihr schwante, dass es nur der Provinzial sein konnte, der inmitten der klösterlichen Stille so laute Reden führte.
    »Wann habt Ihr ihm Bescheid gesagt?«, fragte Leonore scharf.
    »Schon vor drei Tagen.«
    »Gut, dann lassen wir ihn vorerst das Wunder bestaunen«, erklärte Leonore streng und erhob sich von ihrem Stuhl, um dem Provinzial entgegenzueilen. Sie erschrak schier zu Tode, als sie ihn in Begleitung zweier schwer bewaffneter Klosterknechte antraf.
    »Oh, hochehrwürdiger Provinzial, was verschafft mir die Ehre Eures

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