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Die Lebküchnerin

Die Lebküchnerin

Titel: Die Lebküchnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Schrödter
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zugezogen«, murmelte sie leicht verzückt.
    »Ja, gut, aber er hätte auch nicht in Eure Zelle kommen dürfen, um Euch vom Befehl des Provinzials zu berichten. Ich wollte ihn davon abhalten, aber er war nicht davon abzubringen. Und weißt du, dass mir genau das die allergrößte Sorge bereitet? Ich spüre ein Unheil nahen. Das kann nicht gut gehen. Hast du nicht selbst gesagt, dass du dein Gelübde nicht brechen darfst? Benedicta, sei vorsichtig, ich spüre das Unheil in meinem Bauch …«
    »Ha, jetzt fehlt nur noch, dass du eines Tages ähnliche Visionen bekommst wie Schwester Dietlinde!«, lachte Benedicta.
    »Dazu brauche ich keine Visionen«, brummte Agnes. »Dazu brauche ich nicht einmal den Mühlstein in meinem Bauch, sondern nur Augen im Kopf.«

15
    Seit geraumer Zeit wartete Julian in der Gästekammer nun schon ungeduldig auf seine Tante. Er hatte bereits gepackt. Noch war es draußen hell, und er wollte nicht im Dunklen nach Nürnberg reiten. Ihn lähmte die Sorge um Benedicta. Was ließe sich seine Tante noch an Strafen einfallen, jetzt, da sie einen Mann in ihrer Zelle angetroffen hatte? Unruhig ging er auf und ab, bis er es nicht mehr aushielt. Entschlossen nahm er sein Bündel und machte sich auf die Suche nach seiner Tante. Je eher er fortgeritten wäre, desto besser für Benedicta.
    Julian fand seine Tante in ihrer Amtszelle. Mit aufgestützten Armen saß sie an ihrem Tisch, und als sie bei seinem Eintreten den Kopf hob, war ihr Gesicht von Tränen überströmt.
    »Muhme, was ist geschehen?«, fragte Julian ehrlich besorgt. So hatte er seine Tante noch nie gesehen. Sie war stets die Beherrschung in Person und zeigte selten eine Regung ihres Herzens.
    Entschieden wischte sie sich mit dem Ärmel ihres Gewandes eine Träne aus dem Auge und versuchte ihr strenges Gesicht aufzusetzen, was ihr gründlich misslang.
    Sie sieht bemitleidenswert aus, ging es dem Fechtmeister durch den Kopf. Er war unsicher, ob er sie trösten sollte oder nicht. Viel mehr als das Befinden seiner Tante beschäftigte ihn allerdings Benedictas Schicksal. Die Frage, wie es der Schwester erging, lag ihm schon auf der Zunge, doch angesichts der düsteren Stimmung seiner Tante schien es ihm unangebracht, sie sofort mit Fragen nach der Verursacherin ihrer Verzweiflung zu bedrängen. Also wartete er, dass sie ihm erst einmal eine Antwort auf seine Frage gab, die er noch einmal mit Nachdruck wiederholte. »Muhme, nun sagt doch bloß, was ist mit Euch?«
    Leonore stöhnte gequält auf. »Du bist schuld. Du hast mich in diese Lage gebracht. Wende deinen Blick von mir! Ich will nicht, dass du mich so verzweifelt siehst.«
    Julian hielt den Atem an. Vielleicht wäre es besser gewesen, einfach zu gehen, doch dann erklärte er reumütig: »Liebe Muhme, Ihr habt recht, ich allein bin schuld. Ich hätte die Schwester niemals aufsuchen dürfen. Bitte bestraft mich statt ihrer!«
    Seine Tante sah ihn mit leerem Blick an. So, als höre sie ihm gar nicht zu. »Ich weiß mir keinen Rat mehr. Es ist mir, als würde ich mein ganzes Leid noch einmal erleben und die Klosterwelt mit den Augen dieses Mädchens sehen. Es ist nicht wahr, als ich dir sagte, ich hätte mich seinerzeit sogleich in mein Schicksal gefügt. Nein, in den ersten Jahren hatte ich wie Benedicta nur einen Wunsch: wieder in die Welt hinausgelassen zu werden. Ich haderte mit meinem Schicksal, obwohl ich wusste, dass er tot war. Die Priorin machte mir klar, dass es keinen Weg zurück gibt, wenn wir das Gelübde erst einmal abgelegt haben. Dann haben wir keine andere Wahl mehr, als uns auf das Klosterleben und unseren Dienst am Herrn einzulassen. Ich habe von dem Tag an so viel gebetet wie niemals zuvor. Und siehe da – was mir vorher als schreckliches Schicksal erschien, führte mich nach und nach ans Licht. Das, mein Junge, wünsche ich mir auch für Schwester Benedicta. Aber du lebst, du bist ein freier Mann, und du zeigst ihr deine Zuneigung entgegen allen Verboten. Wie soll ein so wankelmütiger Mensch wie die junge Schwester da Stärke bewahren? Du darfst das Kloster erst wieder betreten, wenn du …«
    »Gut, ich werde heiraten«, unterbrach Julian seine Tante hastig und fügte leise hinzu: »Es gibt dort in Nürnberg ein Mädchen, das nur auf meinen Antrag wartet. Ihr Vater ist mein Fechtlehrer. Solange ich in Nürnberg unterrichte, wohne ich in seinem Haus. Alisa ist wunderschön. Sie wird Euch gefallen. Ich werde Benedicta niemals wiedersehen. Das verspreche ich Euch. Wenn ich

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