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Die Lebküchnerin

Die Lebküchnerin

Titel: Die Lebküchnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Schrödter
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schweißnass.
    »Bitte!«, flehte er. »Bitte, Benedicta, lasst euch vom Schwarzen nach Schloss Ehrenreit bringen und sag meinem Bruder …« Er biss die Zähne aufeinander, und seiner Kehle entstieg ein unterdrücktes Stöhnen. Doch dann erhob er die Stimme von Neuem. »Sag meinem Bruder, er soll euch umgehend in Sicherheit bringen. Nicht meinem Vater. Hast du verstanden? Auf keinen Fall meinem Vater!«
    »Du sollst nicht so viel sprechen«, ermahnte Benedicta ihn und fügte beschwörend hinzu: »Wir bleiben bei dir. Die Gefahr ist gebannt. Die Knechte sind ins Kloster zurückgekehrt, weil sie offensichtlich glauben, sie hätten uns niedergestreckt.«
    In diesem Augenblick ertönte ein mörderischer Schrei aus dem Wald heraus. So nahe, dass Benedicta und Agnes erschrocken zusammenzuckten.
    »Nun geht doch endlich! Versteckt euch, um Himmels willen!« Bei diesen Worten versuchte sich Julian aufzurichten, doch er sank kraftlos auf ihren Schoß zurück. Sein Kopf hing leblos zur Seite.
    »Julian?«, rief Benedicta ängstlich und immer wieder. »Julian?« Aber er rührte sich nicht mehr, obwohl sie ihn wie von Sinnen schüttelte.
    »Benedicta?«, fragte Agnes mit belegter Stimme. »Was ist das? Da kommt etwas aus dem Wald! Was ist das bloß?«
    Benedicta ließ von Julian ab und hielt den Atem an.
    Tatsächlich. Das Geräusch menschlicher Schritte war ganz deutlich zu hören, nur kein Pferdegetrappel. Es näherte sich ihnen offenbar jemand zu Fuß.
    »Komm jetzt! Wir müssen uns retten«, bettelte Agnes, doch Benedicta wollte Julian auf keinen Fall seinem Schicksal überlassen. Sie legte seinen Oberkörper vorsichtig auf dem Waldboden ab, beugte sich tief zu ihm hinunter, presste ihr Ohr auf seine Brust und lauschte dem Schlag seines Herzens.
    »Hör nur! Er atmet noch. Wir müssen ihn auf seine Burg bringen!«, rief sie beglückt, doch da hatte Agnes sie bereits an den Schultern gepackt und zog sie mit sich. Benedicta wehrte sich nach Kräften, aber Agnes’ Griff war eisern, und die Küchenmagd erwies sich als die Stärkere.
    Als Benedicta vor Schmerz aufschrie, packte Agnes noch härter zu und zischte wütend: »Kannst du nicht ein einziges Mal gehorchen? Dein Julian hat befohlen, dass du dich rettest. Also rette dich!«
    Das genügte, um Benedicta zum Schweigen zu bringen. Stumm folgte sie der Freundin.
    Kaum waren sie hinter der riesigen Eiche angekommen, als ein Mann die Lichtung betrat. Er war hoch gewachsen und führte ein lahmendes weißes Pferd am Zügel. Er trug einen langen schwarzen Mantel, dessen Kapuze er so tief ins Gesicht gezogen hatte, dass das Gesicht nicht zu erkennen war. Über der Schulter trug er eine Armbrust. Benedicta schüttelte sich vor Unbehagen. Hatte dieser Fremde Julian den gemeinen Bolzen hinterrücks in den Rücken geschossen?
    Unvermittelt blieb der Mann stehen, drehte sich um und brüllte etwas in den Wald zurück. Benedicta konnte die Worte nicht verstehen, aber es klang, als nenne er einen Namen. Dieser Eindruck verstärkte sich, als er noch einmal wie angewurzelt stehen blieb und zum Wald hinüberstarrte. Nachdem er eine ganze Weile immer verzweifelter in den Wald hineingerufen hatte, ging er endlich weiter. Er war nur wenige Schritte weit gekommen, brach sein Pferd ganz plötzlich zusammen – genau an der Stelle, an der Julian lag. Vor Entsetzen schlug sich Benedicta die Hand vor den Mund.
    Hoffentlich hat das Pferd Julian mit seinem Gewicht nicht unter sich begraben!, durchfuhr es Benedicta eiskalt, und sie reckte den Hals so weit vor, dass Agnes sie schon zurückzerren wollte. Dieses Mal aber gelang es ihr, sich loszureißen.
    »Ich will mich wenigstens davon überzeugen, dass er nicht von einem Pferd erdrückt wird!«, zischte sie wütend und richtete den Blick gebannt auf das Geschehen auf der Lichtung. Offenbar war das Pferd genau neben Julian niedergestürzt. Erleichtert atmete Benedicta auf, als sie sah, dass sich der Fremde zu Julian hinunterbeugte.
    Wenn ich doch bloß sein Gesicht sähe! Dann wüsste ich, welche Absichten er hegt, durchfuhr es Benedicta eiskalt. Denn inzwischen schüttelte der Fremde mit dem Kapuzenmantel Julians leblosen Körper wie von Sinnen.
    Er will sich vergewissern, ob er wirklich tot ist, mutmaßte Benedicta und erschauderte. Wer war dieser Fremde? Etwa einer der Knechte, die der Provinzial ihnen hinterhergehetzt hatte? Aber warum kamen ihm die anderen nicht zu Hilfe? Man hatte ihr doch nur von zwei Klosterknechten berichtet. Gehörte er etwa

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