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Die Lebküchnerin

Die Lebküchnerin

Titel: Die Lebküchnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sybille Schrödter
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und würde mich versündigen.«
    Behutsam legte Agnes der Freundin einen Arm um die Schultern. »Benedicta, noch kannst du umkehren. Wenn du als reuige Sünderin in den Schoß des Klosters zurückkehrst, wird man dir gewiss vergeben, denn schließlich brauchen sie dich. Jetzt, da ich fort bin. Ich glaube kaum, dass der Provinzial gern auf seine geliebten Lebkuchen verzichtet. Zumal er auch noch Geld damit machen will. Überleg es dir gut! Noch kannst du wählen.«
    In diesem Augenblick blitzte die Morgensonne durch die Bäume und tauchte die Lichtung vor ihnen in ein helles, freundliches Licht.
    Benedicta atmete tief durch. »Komm, lass uns endlich in die Stadt gehen!«, sagte sie mit fester Stimme.

II. T EIL
    Ach, wie sehn ich mich nach dir,
    Kleiner Engel!
    Nur im Traum,
    Nur im Traum erscheine mir!
    Ob ich da gleich viel erleide,
    Bang um dich mit Geistern streite
    Und erwachend atme kaum.
    Ach, wie sehn ich mich nach dir,
    Ach, wie teuer bist du mir,
    Selbst in einem schweren Traum.
     
    Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

25
    Schmutzig und erschöpft erreichten Agnes und Benedicta am folgenden Abend kurz vor Sonnenuntergang das Stadttor. Sie waren eine halbe Ewigkeit durch den Wald gelaufen, hatten dort eine weitere Nacht verbracht und waren dann lange am Fluss entlanggewandert. Dort hatte sie ein Bauer mit seinem Ochsenkarren aufgelesen und bis zum Stadttor mitgenommen.
    Nun standen sie inmitten einer Reihe von Karren, die alle noch vor dem Garaus in die Stadt hineinwollten.
    »Nun, meine Schöne, hast du es dir überlegt? Möchtest du dich nicht doch im Gasthof bei mir dafür bedanken, dass ich dich und deine magere Freundin mitgenommen habe?«, wandte sich der Bauer mit lüsternem Blick an Agnes. Dazu musste er sich umdrehen, denn die beiden Frauen saßen hinter ihm auf dem Stroh, das er nach Nürnberg lieferte.
    Agnes rollte mit den Augen. »Wir sind dir sehr dankbar, dass du uns ein Stück des Weges mitgenommen hast, aber wir sind keine Dirnen, falls du das glaubst. Wir sind ehrbare Frauen vom Lande, meine Schwester und ich.«
    Der Bauer lachte dröhnend und zeigte eine Reihe gelber Stummel, die früher einmal Zähne gewesen sein mochten. »Das kann jede behaupten. Doch selbst wenn es die Wahrheit ist, wirst du sicher als Hübschlerin enden, so saftig, wie du aussiehst.« Er leckte sich die Lippen, bevor er spöttisch fortfuhr: »Da wärt ihr nicht die Ersten, die glauben, in der Stadt ihr Glück zu machen, und die in den Hurenhäusern enden.«
    Agnes funkelte ihn wütend an. »Ich bin nach Nürnberg gekommen, um einen ehrlichen Mann zu heiraten.«
    Der Bauer lachte immer noch. »Wer es glaubt! Aber wenn es sein muss, nehme ich auch die große Dürre. Sie hat ein liebreizendes Gesicht, und wenn sie einmal richtig im Futter ist, könnte noch ein wahres Prachtweib aus ihr werden.«
    Benedicta überlegte noch, wie sie den ungehobelten Bauern in seinen stinkenden Kleidern in die Schranken weisen sollte, da rief Agnes bereits: »Und sie wird auch heiraten!«
    Die Augen des Bauern verengten sich zu Schlitzen. »Ihr seid also bei mir mitgefahren, obwohl ihr mich nicht bezahlen könnt? Hinunter vom Karren, ihr schmarotzenden Weibsbilder! Dann erklärt es den Wachen, was ihr beiden allein in der Stadt wollt. Ich nehme euch nicht mit nach Nürnberg hinein.«
    Er war so laut geworden, dass der Hund, der zwischen ihnen im Stroh lag, leise knurrte.
    »Wird’s bald, oder soll ich euch Beine machen?«, schrie er und schnalzte mit der Zunge, um seine Ochsen anzutreiben.
    Eilig rappelten sich Benedicta und Agnes auf und sprangen mitsamt dem Hund hurtig vom Wagen, gerade noch rechtzeitig, bevor sich der Ochsenkarren in Bewegung setzte und über die Zugbrücke in den Innenhof rumpelte. Sie sahen einander kopfschüttelnd an, während der Hund dem Bauern hinterherbellte.
    In diesem Augenblick rief ein Wächter: »Wollt ihr hinein in die Stadt oder vor den Toren herumlungern bis zum Morgen?«
    »Wir wollen in die Stadt hinein«, erwiderte Agnes hastig, und so schnell sie konnten, überquerten sie die Zugbrücke. Der Hund folgte ihnen auf dem Fuß. Sie brauchten ihn nicht einmal an einem Strick zu führen. Er wich Benedicta nicht von den Fersen, wohl aus lauter Angst, sie aus den Augen zu verlieren und allein zurückzubleiben.
    Sie befanden sich nun in einem Innenhof, aus dem es nur einen Weg hinaus gab, nämlich an den Wächtern vorbei durch ein weiteres Tor.
    Benedicta sah sich ängstlich um und raunte der Freundin zu:

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