Die Lebküchnerin
Weite der klösterlichen Küche. Benedicta holte noch einmal tief Atem und fragte dann nach Roggenmehl und Weißmehl.
»Weißmehl? Das nehmen wir nicht. Ich habe Meister Burchard zusagen müssen, dass nur er mit Weißmehl backen darf«, erklärte Meister Heller bedauernd.
»Eine ganz und gar blödsinnige Vereinbarung«, schimpfte Benedicta vorlaut. »Ich soll Euch zeigen, was ich kann. Also lasst mich auch machen. Ihr wollt doch viel davon verkaufen, oder?«
Crippin funkelte sie wütend an. »Nun nehmt … nimm den Mund nicht zu voll! Wir benutzen kein Weißmehl, wenngleich …« Er kratzte sich nachdenklich die Bartstoppeln. »Wenn ich es mir recht überlege … Wir müssen uns ohnehin etwas einfallen lassen. Unsere Geschäfte gehen schlechter, denn seit geraumer Zeit verkauft auch Meister Burchard ein weißes Brot, gemischt mit Roggenmehl, das er billiger anbietet als das rein weiße.«
Benedicta sah den Bäckermeister ungläubig an. »Ihr verzichtet darauf, Weißmehl zu benutzen, und er macht, was er will? Wie soll ich das verstehen?«
»Ganz einfach. Er war vor mir in dieser Gasse. Sein Vater und sein Großvater waren schon Bäcker, während meine Familie seit Urzeiten das Gerberhandwerk ausübte. Meister Burchard wollte nach dem Tod des alten Bäckers, der keine Erben hinterließ, dessen Haus dazukaufen, aber man befand, dass eines reiche. Da kam ich, ein schüchterner junger Mann, ein leidenschaftlicher Bäcker zwar, aber ohne dass meine Familie Beziehungen zur Zunft gehabt hätte. Da bot er sich an, ein gutes Wort für mich einzulegen. Ja, er streckte mir sogar ein wenig Geld vor. Im Gegenzug musste ich mich mit gewissen Bedingungen einverstanden erklären. Und eine davon lautete, ausschließlich mit Dunkelmehl zu backen.«
»Und wie lange ist das her?«, fragte Benedicta.
»Über zwanzig Jahre. Damals haben wir Schwarzbäcker aus Kostengründen kaum Weißmehl beigemischt, aber zurzeit geht es den Menschen besser. Sie geben für ein Brot, das auch Weißmehl enthält, mehr aus. Und ich habe in letzter Zeit immer öfter Ware ins Armenhaus bringen müssen, während Meister Burchards dunkle Weißbrote, wie er sie bezeichnet, reißenden Absatz finden«, seufzte Crippin.
»Und deshalb wäre es nun an der Zeit, dass der Anselm die Lukarde heiratet. Damit der Alte endlich Ruhe gibt«, mischte sich der Lehrjunge ein.
Wieder wunderte sich Benedicta über dessen unverschämten Ton dem Meister gegenüber, aber sie verscheuchte den Gedanken und machte sich lieber an die Arbeit. Wie oft hatte sie Agnes heimlich in der Küche besucht und ihr über die Schultern geblickt. Das Roggenbrot im Kloster war gar köstlich gewesen. Und eines Tages war Benedicta auf den Gedanken gekommen, ein wenig Anis hinzuzugeben. Dieses gewürzte Brot hatte solchen Anklang gefunden, dass Agnes es fortan immer so hatte zubereiten müssen. Und zum Dank dafür hatte die Priorin Benedicta verboten, die Küche noch einmal zu betreten. Sie seufzte. Ihr fielen die leckeren Lebkuchen ein, und das Wasser lief ihr im Mund zusammen. Sie hatte immer noch nichts gegessen außer dem Kanten Brot von gestern Abend.
»Habt Ihr Anissamen im Haus, Meister Heller?«
»Ja, schon. Ich nehme sie ab und zu, damit mir das Mahl nicht so schwer im Magen liegt.«
Allein bei der Erwähnung von Essen knurrte Benedictas Magen. »Ob Ihr mir ein wenig von dem Samen holt?«
»Du willst doch nicht etwa Anis in das Brot tun?«, fragte der Lehrjunge vorwurfsvoll.
»Ich glaube nicht, dass es deine Entscheidung ist, was ich in den Teig gebe und was nicht!«, fauchte Benedicta.
»Er hat recht. Anis ist das Gewürz der Weißbäcker«, gab Meister Heller kleinlaut zu bedenken.
»Wer sagt denn das schon wieder?«, fauchte Benedicta empört zurück.
»Meister Burchard.«
»Ach, das hat Euch Meister Burchard auch verboten? Was dürft Ihr denn überhaupt?«
»Brunhild, komm einmal mit!«, bat Crippin und schob Benedicta vor sich her, bis sie die Diele erreicht hatten. Dort herrschte er sie an. »Haltet Euch zurück! Meister Burchard hat seine Ohren überall. Und er hat mächtige Freunde. Sein Einfluss reicht bis in den Rat der Stadt. Ich darf mich nicht mit ihm erzürnen. Und ich bete, ihm kommt nicht zu Ohren, dass Anselm eine andere zur Frau nehmen wird. Das muss, solange es irgendwie möglich ist, unser Geheimnis bleiben. O weh, o weh, ich mag gar nicht daran denken!«
»Aber wie soll er es denn erfahren?«
Crippin seufzte. »Ich hatte schon einmal einen Lehrjungen,
Weitere Kostenlose Bücher