Die leere Wiege: Roman (German Edition)
einen wütenden Blick zu. »Ich habe aus Langeweile getrunken. Anders als du bin ich noch jung und dachte, ich könnte mich zur Abwechslung mal amüsieren. Was glaubst du, wie mir das hier alles zum Hals heraushängt, das Haus, die Windeln, die Fläschchen und der ganze Kram. Ich dachte, wenigstens für einen Tag könnte ich noch mal ich selbst sein.«
»Herrgott, Emma, was soll denn dieses Geschwätz? Du lebst hier nicht im Gefängnis. Du hast ein wundervolles Haus, ein gesundes Kind … und mich. Hör endlich auf, dich wie ein Jammerlappen aufzuführen.«
Emma trat auf ihn zu. »Sprich gefälligst nicht in diesem Ton mit mir.«
»Du hast uns den ganzen Hochzeitstag verdorben«, zischte Dominic. »In drei Stunden beginnt das Konzert in Newmarket, für das ich Karten gekauft habe, und ich habe große Lust, allein hinzufahren.«
Emma wankte ins Wohnzimmer und ließ sich aufs Sofa fallen. »Dann fahr doch. Ich halte dich nicht zurück.«
»Fein.«
»Los, hau ab und genieß dein Konzert. Um mich brauchst du dir keine Gedanken zu machen.«
Dominic riss seine Jacke vom Garderobenhaken und verließ das Haus. Hinter ihm knallte die Haustür zu. Emma starrte wutentbrannt an die Wand.
»Luke hat eben erst sein Fläschchen bekommen«, sagte ich. Die Milch hatte ich in den Ausguss gekippt. »Gebadet ist er auch schon.«
»Gott, wie mich das alles ankotzt.« Emma schloss die Augen und lehnte sich zurück.
»Der Tag hat dich geschafft«, sagte ich. »Wenn du magst, bringe ich Luke für dich ins Bett.«
Ich trug den Jungen nach oben und legte ihn in sein Bettchen. Wie niedlich er aussah, so rosig und zufrieden. Als ihm die Augen zufielen, wäre ich am liebsten zu ihm gekrochen. Ich küsste ihn, versprach ihm, später wiederzukommen, und strich ihm über die Wange, um mein Versprechen zu besiegeln.
Als ich wieder herunterkam, saß Emma noch genauso da wie zuvor.
»War es wirklich so schlimm?«, fragte ich und begann, das umherliegende Spielzeug einzusammeln.
»Es war die Hölle.« Sie fing an zu weinen.
Ich setzte mich zu ihr und nahm ihre Hand. »Woran hat es denn gelegen? Oder hast du bloß zu viel getrunken?«
»Damit hat es nichts zu tun.« Emma schniefte und wischte sich über die Nase. »Es liegt an Dominic, der mich wie einen seiner verdammten Schüler behandelt. Warum redet er mit mir nicht wie mit einem normalen Menschen, der mit ihm auf einer Stufe steht?«
»Vielleicht weil er um einiges älter ist als du.«
»So viel älter ist er gar nicht. Er will einfach nur den Ton angeben. Aber so sollte eine Ehe doch nicht sein. Eine Ehe soll Spaß machen.«
»Hat denn deine erste Ehe Spaß gemacht?« Ich weiß kaum, wie ich es schaffte, ihr diese Frage zu stellen. Auf die Antwort wartete ich mit angehaltenem Atem.
Emma knabberte an einem Fingernagel und dachte nach. »Mein erster Mann war ganz anders als Dominic. Erst jetzt erkenne ich, wie einfach alles mit ihm war.«
»Trefft ihr euch denn ab und zu noch?« Wieder hielt ich den Atem an.
»Wir sind uns ein paarmal über den Weg gelaufen.« Nervös begann sie den Ehering zu drehen, der lose an ihrem Finger saß. »Manchmal weiß man etwas erst zu schätzen, wenn man es verloren hat. Warum muss das Leben nur so ungerecht sein?«
Es schnürte mir die Kehle zu, und ich rückte ein Stück von ihr ab. Emmas Selbstmitleid war mehr, als ich ertragen konnte. Dieses dumme Miststück hatte Luke, doch der Junge genügte ihr offenbar nicht. Sie wollte dich auch noch haben.
Um elf Uhr abends wurde es in Emmas Haus dunkel. Nur die Nachtlichter auf dem Flur oben ließ sie brennen.
Wenn du im Auberge warst, kamst du nie vor Mitternacht zurück, deshalb war es für mich leicht, die Abende in meinem Wagen gegenüber vom Haus der Hatchers zu verbringen. Ich wusste, wann unten die Lichter ausgingen und dass gleich darauf das Licht in Lukes Zimmer eingeschaltet wurde, denn dann fütterte sie ihn zum letzten Mal. Allerdings hatte ich es bisher nie gewagt, die Sicherheit meines Wagens zu verlassen.
Deshalb war jetzt Vorsicht geboten. Ich wartete geduldig. Dominic war in Newmarket und würde, wenn überhaupt, erst nach Mitternacht zurückkommen. Ich war kurz in unserer Wohnung und hatte mich umgezogen. Jetzt trug ich schwarze Leggings, ein schwarzes T-Shirt und Turnschuhe, Kleidung, die nicht knisterte, wenn ich mich bewegte. Wie eine Einbrecherin sah ich aus, katzenhaft, ein Wesen der Nacht. In unserer Küchenschrankschublade hatte ich unter den Taschenlampen die kleinste
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