Die leere Wiege: Roman (German Edition)
gewählt und mich in meinem Aufzug wie Aschenputtel vor dem Ball gefühlt. Mein Herz hatte gepocht, schneller als die Uhr, die tickend die Sekunden bis zum Beginn des Tanzes anzeigte. Mir war schwindelig, und mich erfüllte eine Liebe, die keine Furcht kannte. Der Tanz würde nicht lang dauern, aber er würde atemberaubend sein. Dann war es an der Zeit, und ich musste los.
Ich verließ den Wagen, schlich geduckt an den Hecken entlang und glitt über einen Zaun. Dann lief ich auf Zehenspitzen zur Hintertür und schloss sie auf. Lautlos drückte ich die Tür auf und schlüpfte in die Küche.
Im Haus war alles still. Nur die Straßenlaternen warfen einen blassen Schein in die dunklen Räume. Ich knipste die Taschenlampe an und tappte über den Flur. Auf der Treppe quietschten meine Schuhe, doch der Läufer dämpfte das Geräusch. Ich schaltete die Taschenlampe aus. Der Schein der Laternen reichte aus, um mich zu orientieren.
Lautlos näherte ich mich meinem ersten Ziel, Emmas Schlafzimmer, und trat ein. Mondlicht fiel durch das Fenster und zeigte mir den Weg. Als ich an ihrem Bett stand, erkannte ich auf dem Nachttisch ihr Handy. Ich tippte es an, und das Display leuchtete auf. Also hatte sie es eingeschaltet gelassen.
Bisher hatte ich Emma noch nie schlafen gesehen. Ich beugte mich zu ihr hinab. Sie wirkte noch schöner als sonst, denn ihre Züge waren geglättet und die Sorgenfalten verschwunden. Ihre Lippen umspielte ein Lächeln, als hätte sie einen schönen Traum, der sie aus der Alltagswelt entführte. Ich beneidete sie, denn selbst im Schlaf quälte mich Joels Tod.
Berauscht von meiner Tollkühnheit, legte ich meine Taschenlampe auf den Nachttisch und kroch zu Emma ins Bett, auf die Seite, auf der sonst Dominic schlief – auf der du gelegen hattest, als du mich mit ihr betrügen musstest. Die Nacht war so warm, dass Emma die Decke fortgeschoben hatte. Ihre Brüste waren entblößt. Behutsam zog ich die Decke ein Stück weiter nach unten. Sie war vollständig nackt, und ihre Haut schimmerte in der Dunkelheit. Zum Glück atmete sie so stetig und tief, dass ich wusste, sie würde nicht aufwachen.
In meinem Hochgefühl wagte ich es sogar, sie an der Schulter zu berühren, meine Hand auf die sanfte Rundung zu legen. Emma wälzte sich zu mir herum. Eine Brust streifte dabei meine Hand. Mir wurde heiß, als stünde ich in Flammen. Das gleichmäßige Heben und Senken ihrer Brust war wie ein Hohn auf meinen abgehackten Atem, als hätte sie selbst im Schlaf noch die Kontrolle. Ich rückte näher, drückte die Lippen auf ihren anmutig gebogenen Hals, löste mich sanft – und entdeckte ein langes rotgoldenes Haar auf dem Kopfkissen an ihrer Seite.
Es war zu rötlich, um Emma zu gehören, und mit Sicherheit stammte es nicht von Dominic. Es war zu lang, als dass es von Luke hätte kommen können, aber es war eindeutig seine Haarfarbe.
Ich klaubte das Haar auf, hielt es ins Mondlicht und fragte mich, ob ich womöglich dabei war zu halluzinieren. Dann kam mir der nächste Gedanke. Ich glitt aus dem Bett, nahm das Handy vom Nachttisch und trat hinaus auf den Flur. Dort scrollte ich durch Emmas eingegangene SMS. Etliche waren von Dominic, eine von mir, eine von ihrem Friseur – und dann erkannte ich deine Handynummer, und mein Herz fing an zu hämmern. Ich rief deine letzte Nachricht auf:
»Ich komme zu dir. Übliche Zeit?«
Emma stöhnte im Schlaf und begann sich zu regen. Ich schaltete das Handy aus, trug es zurück und legte es leise auf den Nachttisch. Dann schlich ich mich nach unten und schlüpfte aus dem Haus.
Erst als ich den Schlüssel von der Hintertür abzog, stellte ich fest, dass ich die Taschenlampe in Emmas Schlafzimmer vergessen hatte.
45.
Rose erschien in dem Klassenzimmer. Offenbar hatte sie bis vor Kurzem geschlafen, denn auf ihrer Wange prangte noch der Abdruck ihres Kissens. Von Callahan wusste Cate, dass die Gefangenen nach dem Mittagessen häufig schliefen, da sie in ihren Zellen sonst nichts zu tun hatten. Rose setzte sich der Bewährungshelferin gegenüber auf einen Stuhl, zog eine Zigarette hervor, betrachtete sie und steckte sie wieder zurück.
»Tut mir leid, dass es hier drinnen so warm ist«, begann Cate, die den Schweiß auf ihrem Nacken spürte. Für einen Moment spielte sie mit dem Gedanken, ihre Jacke auszuziehen, doch dann entschied sie sich dagegen.
»Hier ist es immer zu warm«, sagte Rose. »Oder zu kalt. Sie bekommen es nie richtig hin.«
Erst da entdeckte Cate
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