Die leere Wiege: Roman (German Edition)
Lebens. Ich nehme an, danach haben Sie den Halt verloren und waren zutiefst verzweifelt. Doch dann trafen Sie auf Emma und begannen sie zu verfolgen. Hatte das einen sexuellen Hintergrund?«
»Was soll das denn bedeuten?«
»Dass Sie nachts ihr Haus betreten haben. Haben Sie Emma damals nicht berührt?«
Rose zögerte. »Doch, aber nicht so, wie Sie meinen. Ich habe sie nicht begehrt, ich mache mir nichts aus Frauen. Ich fand Emma einfach nur wunderschön. Ich habe mich immer gefragt, wie es wohl wäre, so schön zu sein wie sie.«
»Aber diese nächtlichen Besuche, waren die nicht wieder ein Versuch, Macht zu gewinnen, sodass Sie das Gefühl bekamen, Sie seien diejenige, die die Entscheidungen trifft?«
»Oh, Sie sind offenbar dabei, mich zu analysieren.«
Cate überhörte den spöttischen Tonfall. »Wichtig ist nur, ob ich richtig liege. Und mir scheint, meine Theorie hat durchaus Bestand.«
Rose lehnte sich zurück und schloss die Augen. »Fein, Sie haben recht. Ich wollte Macht haben, wenigstens ein kleines bisschen.« Dann sah sie Cate wieder an, mit tränennassen Augen. »Aber nichts von alledem bedeutet, dass ich Luke den Tod gewünscht habe. Alles andere gebe ich zu, aber das Feuer habe ich definitiv nicht gelegt.«
Mitleidlos sah Cate zu, wie Rose weinte.
Beim Verlassen des Gefängnisses bemerkte Cate, dass jemand hinten auf dem Angestelltenparkplatz bei den Wagen stand. Gleich darauf erkannte sie verdutzt, dass es Emma Hatcher war, die offenbar auf sie wartete. Das schaffe ich nicht , dachte sie nervös. Ich weiß nicht, wie ich sie trösten soll. Ich kann ihren Kummer nicht lindern und ihr nicht helfen, falls Rose tatsächlich freikommen sollte .
Es sah aus, als hätte Emma schon seit einer Weile auf dem Parkplatz gewartet, denn sie lehnte mit gesenktem Kopf an dem Wagen, die Hände in die Taschen ihres Sweatshirts gesteckt. Auf Cate wirkte sie wie ein kleines Mädchen und eine alte Frau zugleich.
»Hallo, Emma. Warten Sie auf mich?«, fragte sie beklommen.
Die Angesprochene schaute auf. Die Haare fielen ihr ins Gesicht, das bleich wie das einer Porzellanpuppe war. Ihr Blick glitt über Cate hinweg zu den düsteren Gefängnismauern. »Irgendwo da drinnen ist Rose«, stellte sie fest. »Wie geht es ihr?« Die Frage klang besorgt.
Cate versuchte ihre Überraschung zu verbergen. »Weder gut noch schlecht. Sie hat sich angepasst. Man hält sie für vertrauenswürdig.«
»Ich habe ihr auch vertraut«, antwortete Emma bitter.
Cate erkannte den Schmerz in ihrer Stimme und wünschte, sie könnte etwas tun, um es dieser Frau leichter zu machen. »Das hätte jeder an Ihrer Stelle getan. Immerhin hat Rose vorgegeben, Ihre Freundin zu sein, wie hätten Sie da ihre wahren Motive erkennen können? Niemand hätte Verdacht geschöpft.«
Alles hohle Worte , dachte Cate, von denen nicht eines die Schuldgefühle dieser Frau verringern konnte. Denn Emma war diejenige gewesen, die Rose in ihr Leben, in ihr Haus gelassen hatte. Die ihr den eigenen Sohn anvertraut hatte. Wie musste es in Emma aussehen, wenn sie, Cate, sich schon schuldig fühlte, weil Amelia vom Klettergerüst gefallen war und sich den Knöchel angeknackst hatte, was im Vergleich zu Lukes Tod lediglich eine Bagatelle war? Anscheinend gehören Schuldgefühle zum Leben von Müttern, die sich, sobald sich ihr Kind verletzt oder krank ist, sofort vorwerfen, sie hätten irgendetwas falsch gemacht.
Stumm betrachtete Emma das Gefängnisgebäude. Cate suchte nach Worten, aber weder ihre Ausbildung noch ihre Erfahrung hatten sie auf eine Situation wie diese vorbereitet.
Schließlich unterbrach Emma die Stille. »Ich wollte Sie um einen Gefallen bitten.«
Cate ahnte, dass es um Roses Freilassung und um ihr Gutachten ging. »Welchen?« Sie wappnete sich, denn sie wusste, was jetzt kommen würde.
»Ich möchte, dass Sie ihre Freilassung befürworten.«
Fassungslos sah Cate Emma an und glaubte, nicht richtig gehört zu haben. »Ihre Freilassung? Sie möchten, dass Rose freikommt?«
»Ja, aber bitte sagen Sie meinem Mann nichts davon.«
»Der ist natürlich anderer Meinung. Aber sind Sie sich wirklich sicher? Haben Sie mir nicht bei unserem Gespräch gesagt, dass Rose Sie berührt hat, während Sie schliefen? Und Ihr Hochzeitskleid in Fetzen gerissen hat? Von dem Brand einmal ganz abgesehen.«
»Doch, aber sie hat genug gebüßt.«
»Ich bewundere Sie für dieses ungewöhnliche Maß an Mitgefühl, Emma. Das spricht von großer innerer
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