Die leere Wiege: Roman (German Edition)
als brauchte sie das Geld. Sie erklärte mir, es habe etwas mit ihrer Rolle als Frau oder ihrer Identität zu tun, irgend so was in der Art, was für mich wie blanker Unsinn klang.
Ich nahm Luke mit in unsere Wohnung und erzählte dir, ich wolle mit ihm in den Tennisklub fahren, denn da war ich sehr gern. Dort gab es eine ruhige Nische mit bequemen Sofas, Beistelltischchen, auf denen Zeitschriften lagen, und eine Spielecke für Krabbelkinder. Während Luke die Spielsachen erkundete, trank ich Tee oder Kaffee und konnte dabei durch die große Glasscheibe ein Tennismatch in der Halle verfolgen. Es war ein exklusiver Klub, für den der monatliche Mitgliedsbeitrag so hoch war wie unsere Miete. Dominic zahlte jedoch keinen Penny, denn er hatte die Mitgliedschaft zu Weihnachten von den Eltern eines Schülers geschenkt bekommen. Mit gefiel es, den tiefgebräunten Männern und Frauen in weißen Shorts oder Tennisröckchen zuzusehen, auch wenn ich mich fragte, was für einen Beruf jemand haben musste, wenn er am helllichten Tag Tennis spielen konnte.
Ich fühlte mich dort fehl am Platz, wohingegen du ja von jeher wie ein Chamäleon warst und dich jeder Umgebung anpassen konntest. Abgesehen davon wusste ich, dass dich der Besuch dieses Klubs reizen würde, erst recht als ich dir sagte, Emma habe mir Geld für Essen und Getränke mitgegeben. Zwar war ich mir nicht sicher, ob du mit Luke für längere Zeit zusammen sein wolltest, aber ich lockte dich, indem ich dir die schnittigen Sportwagen und die Bar beschrieb. Natürlich wolltest du auch herausfinden, was Dominic Emma zu bieten hatte und welches Leben sie ohne dich führte.
Zudem war es dein freier Tag, an dem du nicht wusstest, was du mit dir anfangen solltest, deshalb gabst du dich geschlagen und tauschtest deine Jeans und das schlabbrige T-Shirt gegen eine helle Sporthose und ein weißes Polohemd. Als wir im Tennisklub eintrafen, benahmst du dich wie ein Mitglied, mit selbstsicherem Lächeln und federndem Schritt. Dir fehlte nur noch ein Tennisschläger.
Wir gingen zu der Sofaecke. Ich hob Luke aus dem Kinderwagen, zog ihm die Mütze aus und beobachtete dich von der Seite. Aber du hattest nur Augen für die Umgebung. »Ich hol uns was zu trinken«, sagtest du, nahmst Geld aus meinem Portemonnaie und liefst die Treppe hoch zur Bar, ehe ich dir sagen konnte, dass ich nur eine Tasse Tee wollte.
Ich blieb unten sitzen. Später, als es für mich allmählich Zeit zum Aufbrechen wurde, trug ich Luke die Treppe hoch. Du saßest auf einem Barhocker und redetest mit einem schlanken Mann in zitronengelbem Outfit. Auf der Theke stand eine Flasche Cognac. Du ließest den Cognac im Glas kreisen, in der anderen Hand hieltest du einen Zigarillo. Du sahst großartig aus, als wärest du dazu geboren, in einem Herrenhaus zu wohnen. Ich konnte dich nicht stören, das wäre für uns beide peinlich gewesen. Deshalb kehrte ich mit Luke wieder zurück, setzte mich unten aufs Sofa und wartete geduldig.
Es machte mir nichts aus, auf dich zu warten, denn ich hatte mein Ziel erreicht. Du hattest deinen Sohn zum zweiten Mal getroffen.
Wir waren eine Familie.
48.
Janie bückte sich nach dem Papierkorb und warf einen raschen Blick hinein. Beim Anblick der leeren Bonbontüten und der zusammengeknüllten Verpackung einer Tafel Milchschokolade lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Ms Austin stand auf, um ihr Platz zu machen, sodass sie wie zwei unbeholfene Tänzerinnen wirkten, eine presste sich an die Wand, die andere trippelte seitlich zur Tür. Sehnsüchtig beäugte Janie die Süßigkeiten auf dem Schreibtisch.
»Möchten Sie etwas davon?« Ms Austin reichte ihr einen Schokoriegel.
Janie bedankte sich, schälte ihn aus der Hülle und betrachtete den chaotischen Schreibtisch: Papierknäuel, Stifte ohne Kappen, die Tastatur des Computers ebenso verschmiert wie die Maus. »Soll ich da mal Ordnung schaffen?«
»Nein, lassen Sie nur. Tut mir leid, dass es hier aussieht wie im Schweinestall.«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, das ist doch mein Job.« Janie war es schleierhaft, warum es einigen der Zivilen peinlich war, sie in ihren Büros aufräumen zu lassen. Wahrscheinlich taten sie deshalb immer so, als wäre sie gar nicht da. Andere wiederum schikanierten sie regelrecht und verlangten, dass sie sogar die Silberrahmen ihrer Familienfotos putzte.
Am schlimmsten war der Gefängnisdirektor, der bestand nämlich darauf, dass sie seinen Schreibtisch mit echtem Bienenwachs polierte,
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