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Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Titel: Die leere Wiege: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Dugdall
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um, aber sie war nirgends zu sehen. Ich begann ein Versteckspiel und rief stumm: Eins, zwei, drei, ich komme – in die Küche. Vier, fünf, sechs, ich komme – ins Bad. Bist du vielleicht hinter dem Duschvorhang? Ratsch! Okay, bist du nicht. Gut, dann suche ich weiter. Sieben, acht, neun, ich kann dich hören – allein, im Schlafzimmer.
    Ich stellte den Stuhl unter den Türgriff in meinem Zimmer, schlich zur Wand, zupfte das Poster ab und linste durch den Spion.
    Sie war wach, lag nackt auf dem Bett und fuhr sich mit einer Hand über den Oberschenkel. Meine Wangen fingen an zu brennen, denn ich wusste, dass ich sie jetzt nicht beobachten durfte, aber ich konnte nicht wegschauen. Sie wirkte schläfrig, ihre Augen waren geschlossen, doch die Geste erinnerte mich an eine Katze, die sich im Wachwerden räkelt und anfängt sich zu putzen. Mrs Carron berührte sich zwischen den Schenkeln. Meine Mutter hatte mir gesagt, so was täten nur böse Mädchen. Nun fuhr sie mit den Fingern über ihre linke Brust. Ich fragte mich, wie es sich wohl anfühlte, etwas so Weiches zu berühren. In dem Augenblick hätte ich alles darum gegeben, festgehalten zu werden und mich aufgehoben zu fühlen. Doch außer mir war niemand da.
    Ich berührte meinen Hals, meine Brüste. Ich wusste, meine Mutter würde das unartig nennen, aber sie war tot, und Mrs Carron hatte ihren Platz eingenommen. Dad hatte Mum vergessen, dafür hatte Mrs Carron gesorgt. Ich hasste und liebte sie zugleich. Sie war nun meine Mutter. Ihre Macht zog mich an, denn ich ahnte, dass sie besondere Dinge wusste, Dinge, die ich von ihr lernen konnte. Ich schob meinen Rock hoch. Selbst wenn es wehtun würde, wollte ich wissen, wie es sich anfühlt. Ich ließ eine Hand in die Unterhose gleiten, zwischen meine Schenkel, und spürte die weichen, gerade erst gewachsenen Haare. Meine Verlegenheit im Umkleideraum der Turnhalle, ein Schamgefühl, das ich nicht begriffen hatte, all das wurde plötzlich zu etwas anderem.
    Die Finger von Mrs Carron konnte ich nun nicht mehr sehen, nur noch eine Faust, die ihren Körper zum Zucken brachte, und die Hälfte ihres Gesichts, das sie ins Kissen drückte. Meine Finger forschten weiter und glitten tiefer, doch dazu musste ich ein wenig in die Knie gehen, und das Loch entzog sich meinem Blick. Kurz entschlossen holte ich den Stuhl von der Tür und stellte mich darauf. Schon fiel es mir leichter, Mrs Carron nachzuahmen. Verblüfft stellte ich fest, dass ich feucht geworden war. Gleich darauf gehorchte mein Körper einem ganz eigenen Rhythmus, und ich bewegte mich wie von allein, als tanzten wir und wiegten uns zur selben Musik.
    Und dann – oh, verdammt! – flog die Tür auf. Peter stand da, mit offenem Mund, und erfasste die ganze Szene: mich, die ich mit hochgeschobenem Rock auf dem Stuhl stand, die Hand zwischen den Schenkeln und einem Auge am Spion.
    »Du bist doch krank«, murmelte er. Und dann lauter: »Dad! Dad, komm mal schnell her!«
    Doch zuerst kam Mrs Carron, aufgescheucht von Peters Rufen. Sie erschien auf der Schwelle und knotete hastig den Gürtel ihres Morgenmantels zu. Wir sahen uns an. Ihr Blick wanderte den Stuhl entlang bis zu dem Loch in der Wand. Sie wusste, dass ich sie beobachtet hatte. Wütend wirkte sie nicht, sondern vielmehr entsetzt und furchtsam, als hätte sie gerade einen elektrischen Schlag abbekommen. Wie versteinert stand sie da, unfähig, den Blick abzuwenden, während ich meinen Rock glattstrich und vom Stuhl hinunterstieg. Als ich auf sie zutrat, zuckte sie zurück, als hätte sie sich verbrannt.
    Mein Vater war außer Atem, weil er die Treppe hochgerannt war. Bevor er etwas sagen konnte, packte Mrs Carron ihn am Arm. Ihre Stimme war leise und drängend.
    »Schaff sie aus dem Haus. Wenn sie nicht geht, dann gehe ich.«

12.
     
    Eintrag in mein schwarzes Buch
     
    Schon unten auf der Straße hörte ich sie husten und schaute aus dem Fenster meines Zimmers. Unter mir betrat die massige Tante Rita den Laden. Die Ladenglocke bimmelte, und ich hörte, wie mein Vater den schwachen Versuch machte, Tante Rita willkommen zu heißen.
    Ich nahm meine Kleider aus dem Schrank, räumte das Regal und die Schubladen leer und stopfte so viel wie möglich in einen schwarzen Plastiksack. Dann holte ich das Amselnest hervor, das ich in einer Schublade unter meiner Unterwäsche versteckt hatte, und schlug es zum Schutz in Papiertaschentücher ein. Peter stand im Türrahmen und sah mir mit hilfloser Miene zu. Seit er mich

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