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Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Die leere Wiege: Roman (German Edition)

Titel: Die leere Wiege: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Dugdall
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brauchte eine frische Windel, daher eilte Emma mit ihm die Treppe hoch. Ich wollte ihr nachgehen, um das Schlafzimmer zu sehen, in dem du sie bestiegen hattest, aber ich fürchtete mich vor meinen aufwallenden Gefühlen und wartete unten auf sie.
    »Setz dich ins Wohnzimmer«, rief Emma von oben.
    Es war ein schöner, großer Raum mit Bildern an den Wänden und geschmackvollem Porzellan in einer Vitrine. Eine Glastür führte zur Terrasse, auf der eine blaue Babywippe stand, mit roten Drachen auf dem Bezug. Ich hatte eine ähnliche gekauft, doch sie stand noch in ihrer Zellophanhülle bei uns zu Hause. Auf dem Stoff hier waren zahlreiche Flecken von Milch, Erbrochenem und wahrscheinlich auch Pipi. Er sah aus, als müsste er dringend mal gewaschen werden.
    Emma kehrte mit Luke zurück. »Was möchtest du trinken?«
    »Eine Tasse Tee wäre schön.«
    Offenbar rang sie mit sich, ob sie mich bitten konnte, Luke so lange zu halten. Wahrscheinlich fragte sie sich, ob man das von einer trauernden Mutter verlangen durfte. Zu guter Letzt setzte sie ihn in seinen Kinderstuhl und verschwand in die Küche. Luke passte es nicht, angeschnallt in dem Stühlchen zu sitzen, denn er fuchtelte aufgebracht mit seinen winzigen Fäusten, doch dann übermannte ihn ein großes Gähnen, und ihm fielen die Augen zu. Ich konnte nicht fassen, wie viel größer er in der Zwischenzeit geworden war.
    Emma kam zurück, stellte zwei Becher Tee auf den Couchtisch und setzte sich zu mir aufs Sofa. Ich wappnete mich, denn ich war sicher, dass sie gleich fragte, wie es mir ergangen sei. Stattdessen legte sie den Kopf an meine Schulter und fing an zu weinen.
    »Das mit Joel tut mir so leid, Rose, so unglaublich leid.«
    Meine Augen brannten, und ich wischte ihre Haare aus meinem Gesicht.
    Nach einer Weile setzte sie sich auf. »Am letzten Tag wollte ich zu dir kommen und mich verabschieden, aber du warst nicht in deinem Zimmer. Nur die nette Krankenschwester war da, Nurse Hall, und packte deine Sachen. Sie wusste, dass wir uns angefreundet hatten, und hat mir erzählt, was passiert war. Sie hat mir auch deine Telefonnummer gegeben, obwohl sie das gar nicht durfte, aber sie dachte, ich könnte dir beistehen.« Wieder flossen Tränen.
    Luke wachte auf und fing an zu schreien.
    Emma schaute zu ihm hinüber und trocknete ihre Tränen. »Kannst du denn nie Ruhe geben?«
    Sie stemmte sich hoch, hob ihn aus seinem Stuhl und schaukelte ihn unbeholfen und ohne ihn anzusehen. Wie gern hätte ich ihr gezeigt, wie man ein Baby in den Armen wiegt und besänftigt. Aber Emma schob Luke nur einen Schnuller in den Mund und legte den Jungen neben mich aufs Sofa.
    »Ich habe es nicht geschafft, Rose. Ich hatte Angst, mich bei dir zu melden und nicht zu wissen, was ich sagen soll. Ich hatte Angst, du würdest mich hassen, weil Luke noch am Leben ist. Ich war sicher, wir würden uns nie wiedersehen, aber ich habe jeden Tag an dich gedacht.«
    Schweigend tranken wir unseren Tee und sahen zu, wie Luke langsam wieder einschlief.
    »Darf ich ihn mal halten?«, fragte ich, denn ich sehnte mich danach, ein Baby in den Armen zu spüren.
    Emma zögerte, ehe sie hastig lächelte und sagte: »Natürlich.«
    Ich erinnere mich noch so genau daran. Der warme kleine Körper war überraschend schwer. Ich nahm Luke hoch, und er sah mich an, als wüsste er alles. Wie Joel auch, hatte er den Blick eines weisen alten Mannes. Ich würde nie mehr ein Kind bekommen, nie mehr ein Baby wie ihn haben. Als ich ihm das Mützchen abstreifte, sah ich die rotgoldenen Löckchen. Wenn ich die Augen geschlossen hätte, hätte ich denken können, ich hielte Joel in den Armen.
    Aber ich schloss die Augen nicht.

36.
     
     
     
    An der Essensausgabe hatte sich eine Schlange gebildet. Wärter und Zivilangestellte schoben ihre Holztabletts über eine Schiene und nahmen ihre Gerichte von den Gefangenen hinter der Theke entgegen. Cate griff nach ihrem Teller und entdeckte Rose, die hinten in der Küche arbeitete. Als hätte sie den Blick gespürt, schaute die Gefangene auf. Für einen Moment sahen die beiden sich an. Dann nickte Cate einen Gruß und ging weiter zur Kasse, wo Paul stand und für sein Essen zahlte.
    Sie ließen sich an einem Ecktisch nieder. Am Nachbartisch beendete eine Gruppe Wärter des D-Flügels gerade ihre Mahlzeit. Sie stießen sich an und lachten.
    Paul wartete, bis sie aufgestanden und verschwunden waren. »Ich glaube, du hast Aufmerksamkeit erregt.«
    »Womit?« Cate zerteilte einen

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