Die leere Wiege: Roman (German Edition)
blinder Gewohnheit ein Körperteil nach dem anderen ein und werde erst langsamer, als meine Hand über die Kaiserschnittnarbe fährt. Inzwischen ist sie weiß und fühlt sich erstaunlich glatt an. Der einzige Beweis dafür, dass ich Mutter bin. Nicht war , denn ich werde immer Mutter bleiben.
Ich stelle das Wasser ab und greife nach dem Handtuch, das so klein und verschlissen ist, dass man sich damit nicht richtig trocken reiben kann. Wenn ich wieder frei bin, werde ich mir ein großes Badetuch kaufen, aus dicker ägyptischer Baumwolle, so wie das Grand Hotel in Ipswich sie hatte. Ich trockne mir die Beine und Arme ab. Mit einem Mal wird mir klar, dass ich Burgess nicht mehr höre. Das Geräusch seiner Schritte und das Klirren seiner Schlüssel sind verstummt. Ich werde nervös und raffe meine Kleidung vom Haken. Ohne Wache bin ich angreifbar, doch dann höre ich wieder Schritte … und erstarre.
Das sind nicht seine Stiefelschritte, sondern die leichteren einer Frau. Ich denke an die Gefangenen, die es wagen würden, sich mit mir – einer Kindesmörderin – anzulegen, nur um ihre Macht zu demonstrieren, so wie damals bei der Frau in Highpoint. Ich ziehe meine Unterhose an und bücke mich nach den Socken. Die Schritte kommen näher – haben die Fliesen erreicht. Ich sehe glänzende Stiefel, schwarze Hosenbeine, eine Wärteruniform.
»Ich glaube, du bist noch schmutzig.«
Ich richte mich auf und stehe Officer Holley gegenüber. Ich weiß, was sie Susan Thomas in der Dusche angetan hat und wie Susan nachher aussah.
»Stell die Dusche wieder an.« Ihre Stimme hallt von den Kachelwänden wider.
»Ich bin schon fertig.«
Ich rühre mich nicht vom Fleck und weiß, wenn ich schreie, wird keiner kommen, um mir zu helfen. Sie macht noch einen Schritt auf mich zu. Ich weiche zurück und stoße mit dem Rücken an die Wasserhähne.
»Ich habe gesagt, du sollst die verdammte Dusche anstellen.«
Ganz langsam und betont spricht sie ein Wort nach dem anderen aus. Auch ich bewege mich wie in Zeitlupe, greife nach hinten und drehe einen Duschhahn auf. Eiskaltes Wasser rieselt auf mich herab. Officer Holley tritt zurück und mustert mich spöttisch. »Hast du nicht was vergessen, Wilks?« Mit einer Hand zieht sie am Bund meiner Unterhose und lässt ihn zurückschnappen. »Zieh sie aus.«
Ich weiß nicht, ob sie mich demütigen will oder noch Schlimmeres plant, aber ich habe keine Wahl. Mit geradem Rücken ziehe ich meine einzige Schutzschicht herunter und schüttele sie von den Füßen ab. Dann stehe ich nackt vor Officer Holley, die mich mit verächtlichem Blick von Kopf bis Fuß mustert.
Über mein Gesicht läuft das eiskalte Wasser, und meine Haare kleben am Kopf.
»Du dreckige, perverse Sau.«
Ich kann das nicht hören, kann diese Worte nicht ertragen. »Ich bin jetzt sauber genug«, sage ich und mache Anstalten, die Dusche zu verlassen.
Sie schlägt mir mit der flachen Hand ins Gesicht. »Heißt das, du widersetzt dich meinem Befehl?«
Ich schaue sie an. Das Wasser rinnt an mir herab und sammelt sich in einer Pfütze. »Ich möchte, dass Sie mich nie wieder so nennen.« Ich klinge erstaunlich sicher und bestimmt.
Ihre Lider verengen sich, und um ihren verkniffenen Mund spielt ein dünnes Lächeln. »Aber das bist du doch, Wilks. Eine perverse Sau. So, ich habe es wieder gesagt. Was nun?«
Ihre Hand schießt vor und dreht den Warmwasserhahn auf. Ich spüre kochendheißes Wasser und dann ihre Faust im Gesicht. Mein Kopf schlägt gegen die Kachelwand. Ich nehme den Schmerz hin, ich habe ihn verdient.
38.
Eintrag in mein schwarzes Buch
Mit der Zeit besuchte ich Emma beinahe jeden Tag.
Einmal drückte ich auf die Klingel und wartete ewig, bis sie die Tür öffnete. Die Klinke noch in der Hand, machte sie gleich wieder kehrt und lief die Treppe hoch.
»Komm mit«, rief sie über die Schulter. »Ich bin gerade beim Aufräumen.«
Ich folgte ihr nach oben ins Schlafzimmer. Der Raum war weinrot gestrichen und wurde von einem großen Bett mit einem schwarzen schmiedeeisernen Kopfteil dominiert. Eine voluminöse Kommode aus Mahagoni verdeckte die untere Hälfte des Fensters.
»Ist das nicht scheußlich? Dominic liebt Antiquitäten, obwohl sie so schwer sind und den Raum dunkel machen.«
Auf dem Bett lag ein Berg Babykleidung, winzige Teile, wie für Puppen. Ich nahm eins auf und las das Etikett. »Für Neugeborene«.
»Dominic ist sauer auf mich«, fuhr Emma fort. »Ich kann einfach nichts wegwerfen, aber
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