Die leere Wiege: Roman (German Edition)
»Dann kommt sie frühestens in zwei Jahren frei.«
»In zwei Jahren?«, fuhr Dominic auf. »Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst.«
»Es könnte aber auch in zwei Wochen so weit sein.«
Emma richtete ihren Blick auf Cate. »Aber das wäre ja schon im September.«
Cate stellte ihren Becher auf den Sofatisch. »Ja, aber Rose Wilks stünde unter Aufsicht, müsste sich regelmäßig bei ihrem Bewährungshelfer melden und eine Verhaltenstherapie machen. Außerdem würden wir entscheiden, wo sie arbeitet und wohnt, was alles zusammen bedeutet, dass die Freilassung für sie kein Spaziergang wird.«
»Wie vernagelt sind Sie eigentlich?«, zischte Dominic. »Diese Person darf unter gar keinen Umständen freikommen, oder ist das für Sie zu schwierig zu begreifen?« Am liebsten hätte er mit der Faust auf den Tisch geschlagen.
Benommen schüttelte Emma den Kopf. »Ich würde ihr ganz sicher begegnen«, sagte sie leise. »Auf der Straße oder im Supermarkt. Was ist, wenn sie hierherkommt?«
»Das wird sie nicht«, erklärte Cate bestimmt. »Das wird ihr nicht gestattet sein. Falls Rose freigelassen wird, dann nur unter der Auflage, dass sie nie wieder Kontakt zu Ihnen aufnimmt.«
Dominic musterte Cates ernste Miene und dachte verächtlich, wie treuherzig diese Bewährungshelferin doch war. »Diese Frau hat unser Kind ermordet, Miss Austin. Glauben Sie tatsächlich, eine einzige Ihrer Auflagen könnte sie an irgendetwas hindern?«
»Allerdings. Denn wenn sie auch nur gegen eine davon verstößt, landet sie sofort wieder im Gefängnis.«
Dominic ließ sich zurückfallen und stieß den Atem aus. »Spielt unsere Meinung überhaupt eine Rolle, wenn Sie Ihr Gutachten schreiben?«
Cates Blick wurde mitfühlend, aber sie ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Vielleicht dachte sie ja, ihre gefasste Haltung übertrage sich auf ihn, aber da hatte sie sich geirrt. Seit vier Jahren brodelte es in ihm, und daran konnte auch sie nicht das Geringste ändern.
»Ihre Meinung interessiert mich durchaus«, erwiderte sie. »Und falls Sie Bedingungen stellen möchten, würde ich sie weiterleiten. Zwar werden Sie den Beschluss der Kommission nicht beeinflussen können, aber was die Auflagen betrifft, haben Sie Rechte, die wir berücksichtigen werden.«
»Rechte!«, höhnte Dominic. »Dass ich nicht lache.« Er schaute zu Emma hinüber, die ihrerseits zu Boden starrte. Mit einem Mal war es, als würde aus seiner Wut etwas anderes, weitaus Schmerzlicheres, ein Gefühl, das er als die Hoffnungslosigkeit seiner Niederlage erkannte.
»Mr Hatcher«, sagte Cate. »Noch ist nichts entschieden. Warum erzählen Sie mir nicht, wie Rose sich Ihrer Familie derart eng anschließen konnte? Ich habe Ihre Aussage gelesen, aber ich möchte es gern noch mal aus Ihrem Mund hören.«
Dominic zog die Brauen zusammen. Genau das hatte ihm noch gefehlt. Eine Fremde, die in ihrem Leid herumstochert, die sie mit Warum und Weshalb quält, obwohl es keine einzige Antwort gab, die Luke wieder zum Leben erwecken konnte. Er holte tief Luft, um Miss Austin genau das zu sagen, doch zu seiner Überraschung kam Emma ihm zuvor.
»Sie hat mir leidgetan«, begann sie kaum hörbar. »Ich wollte ihr helfen, und wir sind Freundinnen geworden. Rose war vielleicht ein wenig seltsam, aber welche Frau, die ihr Kind verloren hat, wäre das nicht?« Sie gab einen Laut von sich, der wie ein Schluchzer klang, und verbarg ihr Gesicht in den Händen.
Dominic stand auf und legte einen Arm um sie. Er tat es aus reinem Pflichtgefühl, was Emma womöglich spürte, denn sie versteifte sich und ließ die Hände sinken. Dominic hatte das Gefühl, eine Statue zu umfassen, daher ließ er sie los und setzte sich wieder.
»Emma«, sagte Cate freundlich. »Hatten Sie jemals den Eindruck, dass Rose von Luke besessen war?«
Emma schien nachzudenken. Schließlich schüttelte sie den Kopf. »Nein, eigentlich nicht. Ich war gerade erst Mutter geworden und hatte alle Hände voll zu tun, und Rose war einfach da. Sie hat mir geholfen, und dafür war ich ihr sehr dankbar. Weiter nichts.«
Dominic schnaubte abfällig. Diese Worte hatte er schon zigmal gehört. Emma hatte keine Hilfe gebraucht. Luke war ein perfektes Baby gewesen, und er hatte Emma unterstützt. Trotzdem beharrte sie darauf, dass ihr Leben schwierig gewesen sei.
»Erzähl ihr von deinen Träumen«, forderte er seine Frau auf. »Na los.«
Emma schien das Muster des Teppichs zu studieren.
Cate beugte sich zu ihr vor und fragte sanft:
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