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Die Legende

Die Legende

Titel: Die Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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Druss blieb hartnäckig, auch als Hogun Orrin beipflichtete.
    »Vertraut mir«, drängte Druss. Aber es fehlten ihm die Worte, sie zu überzeugen. Er versuchte zu erklären, daß die Männer einen kleinen Sieg am ersten Tag brauchten, um ihrem Kampfgeist den letzten Schliff zu geben.
    »Aber das Risiko, Druss!« wandte Orrin ein. »Wir könnten am ersten Tag auch verlieren. Siehst du das denn nicht ein?«
    »Du bist der Gan«, schnaubte Druss. »Wenn du willst, kannst du meine Entscheidung ja widerrufen.«
    »Aber das will ich nicht, Druss. Ich werde neben dir auf Eldibar stehen.«
    »Und ich auch«, sagte Hogun.
    »Ihr werdet sehen, daß ich recht habe«, sagte Druss. »Ich verspreche es euch.«
    Beide Männer nickten und lächelten, um ihre Verzweiflung zu verbergen.
    Jetzt bildeten die diensthabenden Culs Schlangen an den Mauern, sammelten die Wassereimer und machten sich auf den Weg entlang der Befestigungen. Dabei traten sie über die Beine und Körper derjenigen, die noch schliefen.
    Auf Mauer Eins tauchte Druss einen Kupferbecher in einen Eimer und trank in tiefen Zügen. Er war sich nicht sicher, daß die Nadir heute angreifen würden. Seine Instinkte sagten ihm, daß Ulric noch einen vollen Tag dieser mörderischen Anspannung verstreichen lassen würde, damit der Anblick seiner Armee, die sich auf die Schlacht vorbereitete, den Verteidigern den Mut nahm und sie aller Hoffnung beraubte. Aber auch dann blieb Druss keine Wahl. Den ersten Schritt mußte Ulric tun; die Drenai würden warten müssen.
    Über ihnen litt Tempel unter der Wut des Ungeheuers. Seine Schultern und sein Rücken waren aufgerissen, seine Kraft ließ nach. Doch das gehörnte Wesen wurde ebenfalls schwächer. Beide standen dem Tod gegenüber.
    Tempel wollte nicht sterben – nicht, nachdem er gerade erst das bittersüße Leben gekostet hatte. Er wollte all die Dinge von nahem sehen, von denen er bisher nur einen kurzen Eindruck aus der Ferne bekommen hatte: das farbige Licht sich ausdehnender Sterne, das Schweigen im Zentrum ferner Sonnen.
    Sein Griff wurde fester. Es würde keine Freude am Licht geben, keinen Schauer inmitten des Schweigens, wenn dieses Ding hier am Leben blieb. Plötzlich schrie das Wesen auf. Es war ein schrecklicher, hoher Laut, unwirklich und furchteinflößend. Sein Rückgrat brach, und es schwand dahin wie Nebel.
    Nur halb bei Bewußtsein in Tempels Seele schrie Vintar auf.
    Tempel sah hinab und beobachtete die Männer, winzige, zerbrechliche Wesen, die sich auf ihr Frühstück aus dunklem Brot und Wasser vorbereiteten. Vintar schrie erneut, und Tempel runzelte die Stirn.
    Er deutete mit dem Finger auf die Mauer. Männer begannen zu schreien und warfen Wasserbecher und Eimer von Musif hinab. In jedem Gefäß krochen und ringelten sich Würmer. Jetzt sprangen noch mehr Männer auf, liefen durcheinander und schrien.
    »Was, zum Teufel, geht da oben vor?« sagte Druss, als der Lärm zu ihm hinunterdrang. Er sah zu den Nadir hinab und stellte fest, daß Männer von den Belagerungsmaschinen zurück in die Zeltstadt strömten. »Ich weiß nicht, was da los ist«, sagte Druss. »Aber selbst die Nadir machen kehrt. Ich gehe zurück zu Musif.«
     
    In der Zeltstadt war Ulric nicht weniger zornig, als er sich einen Weg zu dem großen Zelt Nosta Khans bahnte. Seine Gedanken waren kühl und ruhig, und er sprach den Wächter vor dem Zelt an.
    Die Neuigkeit breitete sich wie ein Steppenbrand in der Armee aus: Als der Morgen anbrach, waren die Zelte von Nosta Khans sechzig Akolyten von markerschütternden Schreien erfüllt gewesen. Wächter waren herbeigeeilt und fanden die Männer, die sich mit gebrochenem Rückgrat am Boden wanden, ihre Körper gekrümmt wie überspannte Bogen.
    Ulric wußte, daß Nosta Khan seine Jünger zusammengerufen hatte, um mit ihrer vereinten Macht den weißen Templern entgegenzuwirken, aber er hatte die damit verbundenen Gefahren nie wirklich verstanden.
    »Nun?« fragte er den Wächter.
    »Nosta Khan lebt«, sagte der Mann.
    Ulric hob die Zeltklappe und trat in den Gestank von Nosta Khans Behausung.
    Der alte Mann lag auf einer schmalen Pritsche; sein Gesicht war grau vor Erschöpfung, seine Haut schweißnaß. Ulric zog sich einen Hocker heran und setzte sich neben ihn.
    »Meine Akolyten?« wisperte Nosta Khan.
    »Alle tot.«
    »Sie waren zu stark, Ulric«, sagte der alte Mann. »Ich habe dich enttäuscht.«
    »Ich bin schon oft enttäuscht worden«, sagte Ulric. »Es spielt keine Rolle.«
    »Aber für

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