Die Legende
Welt gibt, Meister Priester.«
Serbitar grinste, ein seltener Anblick. Eine Möwe kreiste über dem Schiff; beiläufig berührte der Albino ihren Geist, als sie über den Mast segelte.
Dort waren weder Freude noch Trauer oder Hoffnung. Nur Hunger und Not. Und Enttäuschung, weil das Schiff keine Nahrung bot.
Eine wilde Hochstimmung überflutete den jungen Priester in einem geistigen Impuls von unglaublicher Kraft; ein Gefühl von Ekstase und Erfüllung durchströmte seinen Körper. Er umklammerte die Reling und verfolgte diesen geistigen Pfad zurück, schirmte seinen Vorstoß jedoch ab, als er sich der Tür von Reks Kabine näherte.
»Ihre Gefühle sind sehr stark«, pulsierte Vintar.
»Es schickt sich nicht, dabei zu verweilen«, erwiderte Serbitar prüde. Selbst im Mondschein konnte man sehen, daß er rot geworden war.
»Nein, nein, Serbitar. Die Welt hat nur wenig Lohnendes zu bieten, und dazu gehört die Fähigkeit der Menschen, einander mit tiefer und anhaltender Leidenschaft zu lieben. Ich erfreue mich an ihrem Liebesspiel. Es ist etwas sehr Schönes für sie.«
»Du bist ein Voyeur, Vater Abt«, sagte Vintar, der jetzt lächelte. Vintar lachte laut.
»Wohl wahr. Sie haben so viel Energie, die Jungen.«
Plötzlich erschien Arbedarks schmales Gesicht im Geist der beiden Männer. Seine Miene war sehr ernst.
»Tut mir leid«, pulste er. »Ich habe traurige Nachrichten aus Dros Delnoch.«
»Sprich«, bat Serbitar.
»Der Graf ist tot. Und es gibt einen Verräter in der Dros. Ulric hat befohlen, Druss zu töten.«
»Bildet einen Kreis um mich«, rief Druss, als die erschöpften Männer von der Mauer taumelten. »Und setzt euch, bevor ihr umfallt.«
Seine blauen Augen überflogen den Kreis; dann schnaubte er verächtlich. »Ihr Abschaum! Ihr wollt Soldaten sein? Nach ein paar Läufen seid ihr völlig ausgepumpt. Wie, zum Teufel, glaubt ihr, werdet ihr euch nach drei Tagen Kampf fühlen, Tag und Nacht, gegen eine Nadir-Armee, die euch fünfzig zu eins überlegen ist? He?«
Niemand antwortete. Die Frage war allzu offensichtlich rhetorischer Natur. Tatsächlich waren die meisten Männer froh, heruntergeputzt zu werden, denn das bedeutete einen kleinen Aufschub, ehe das endlose Training weiterging.
Druss zeigte auf Gilad. »Du. Welche vier Gruppen sind hier versammelt?«
Gilad drehte sich um, blickte in die Gesichter der Männer. »Karnak, Bilad … und Gorbadac … und, äh, die anderen kenne ich nicht.«
»Was ist?« brüllte der alte Mann. »Will es mir keiner von euch Lumpen sagen? Wie heißt die verdammte andere Gruppe?«
»Falke«, piepste eine Stimme aus dem Hintergrund.
»Gut! Gruppenoffiziere vortreten«, sagte Druss. »Ihr anderen macht ein bißchen Atempause.« Er ging ein Stück beiseite und winkte den Offizieren, ihm zu folgen.
»Bevor ich sage, was ich zu sagen habe, würde der Offizier von Gruppe Falke sich vielleicht zu erkennen geben?«
»Ich bin der Offizier, Herr. Dun Hedes«, sagte ein junger Mann. Er war klein, aber gut gebaut.
»Warum hast du deine Gruppe dann nicht gemeldet, als ich gefragt habe? Warum mußte das ein pickliger Bauernlümmel tun?«
»Ich bin teilweise taub. Und wenn ich müde bin und mein Puls schnell geht, höre ich kaum etwas.«
»Dann, Dun Hedes, betrachte dich als entlassen.«
»Das kannst du nicht machen! Ich habe immer gut gedient. Du kannst mich doch nicht einfach mit Schande davonjagen«, rief der junge Mann.
»Hör zu, du junger Narr. Es ist keine Schande, taub zu sein. Und du kannst von mir aus auch auf den Wehrgängen herumlaufen, wenn die Nadir kommen. Aber wie gut kannst du mir als Offizier dienen, wenn du meine Befehle nicht hörst?«
»Das schaffe ich schon«, sagte Dun Hedes.
»Und wie gut sollen es deine Männer schaffen, wenn sie dich um Rat fragen? Was passiert, wenn wir Rückzug anordnen, und du hörst es nicht? Nein. Die Entscheidung steht fest. Wegtreten.«
»Ich verlange das Recht, Gan Orrin zu sprechen!«
»Wie du willst. Aber heute abend habe ich einen neuen Dun für die Falken. Und jetzt zur Sache. Ich will, daß jeder von euch – du eingeschlossen, Hedes – eure zwei stärksten Männer aussucht. Die besten im Armdrücken, Ringen, was auch immer. Sie werden die Chance erhalten, mich von den Füßen zu holen. Das sollte die Stimmung etwas heben. Ab jetzt!«
Dun Mendar rief Gilad zu sich, als er zu seiner Gruppe zurückkehrte; dann hockte er sich zwischen die Männer, um ihnen von Druss’ Vorschlag zu erzählen. Einige
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