Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)
den Kopf. Als er aufblickte sah er entfernt Zemal mit seinen zwei Eimern zu den Gewächshäusern hasten. Er starrte ihm nach, bis er hinter einem Zelt verschwunden war.
***
Zemal saß in seinem Zelt, noch hier im Schatten trieb ihm die Mittagshitze Schweißperlen auf die Stirn. Sein Magen knurrte vernehmlich, er fühlte sich schwach und hilflos wie ein kleines Kind. Etwas, an das er sich wohl nie gewöhnen würde. In den wenigen Stunden bis zum Mittag hatte er allein eine ganze Grube geleert. Normalerweise benötigten mehrere Dienende dafür mindestens einen Tag. Immer wenn er sich besonders anstrengte, schier übermenschliches vollbrachte, so wie heute, brach er danach regelrecht zusammen und alle Nahrung der Verdammten konnte seinen Hunger nicht mehr stillen. Einmal hatte er deswegen auch schon einen der Kuchen der ärmeren Dienenden probiert, gebacken aus dem Staub der Einöde. Gesättigt hatte es ihn nicht. Staubfresser! War er nun einer von ihnen?
Die Plane seines Zeltes wurde zur Seite geschoben. Zemals kleine Schwester brachte ihm sein Essen. Wie immer war die Schüssel reichlich gefüllt. Ob ihm seine Schwester heimlich eine kleine extra Portion zuschob, oder ob seine Eltern damit einverstanden waren, wusste er nicht. Sie sprachen nur noch selten mit ihm, Dienende lebten in ihrer eigenen isolierten Welt. Auch seine Schwester verschwand wieder, sobald sie das Essen abgestellt hatte. Es gab einen dicken Brei aus Bohnen und Wurzelgemüse. Es gab jeden Tag Brei aus Bohnen und Wurzelgemüse, nur die Konsistenz und der Anteil der wenigen Zutaten variierte. Selbst in den Gewächshäusern wuchsen nur bestimmte robuste Pflanzen, der karge Boden der Einöde gab einfach nicht viel her. Die Verdammten waren es gewöhnt, sie beschwerten sich nicht.
Zemal verschlang sein Essen in wenigen Minuten, leckte noch die letzten Reste aus der Schüssel. Danach legte er sich hin. Sein Magen knurrte noch immer. Er ignorierte es so gut es ging. Es hätte schlimmer kommen können, dachte er, seine Familie behandelte ihn gut. Irgendwann schlief er ein.
***
„Zemal ist ein Nachtjäger, er gehört nicht zu den Dienenden!“, sagte Mo aufgeregt.
Älteste Beo schüttelte leicht den Kopf. Wie erwartet, verlief ihr Gespräch mit Mo holprig. Mo traute den Ältesten nicht mehr, Beo war keine Ausnahme. Immerhin redete sie mit ihr, ein erster Erfolg.
„Zemal selbst ist es, der sich klaglos in sein Schicksal ergibt. Er sieht sich als Dienender. Ohne seine Hilfe wird Älteste Piri nicht einlenken. Nicht bei Zemal und auch nicht bei den anderen Dienenden. Er wäre für mich nur der Anfang, letztlich sollte es überhaupt keine Dienenden mehr geben“, antwortete Beo ruhig.
„Dann schafft doch die Dienenden einfach ab. Ihr seid eine Älteste des Rates, Ihr entscheidet“, entgegnete Mo schnippisch.
„Der Rat als Ganzes entscheidet. Und mit meiner Meinung zu den Dienenden stehe ich allein. Selbst unter den anderen Verdammten finden sich nicht viele, die so denken wie wir. Die Dienenden haben eine sehr lange Tradition. Zudem sind sie ein Privileg wohlhabender Familien. So etwas schafft man nicht über Nacht ab, das braucht Zeit“, erklärte Beo.
Mo verschränkte die Arme vor der Brust und hob trotzig das Kinn.
„Ich werde nicht warten, bis ich alt und grau bin. Zemal ist ein Nachtjäger“, betonte sie noch einmal.
„Dann sollten wir vielleicht dafür sorgen, dass er sich wie einer benimmt. Wenn er erst einmal Gefallen daran findet, sich nicht mehr stetig weg duckt, wächst der Druck auf seine Großmutter. Habt ihr demnächst nicht einen Jagdausflug geplant?“, schlug Beo vor.
„Zemal sollte ohnehin mitkommen. Wenn das Eurer Meinung nach etwas ändert, umso besser“, sagte Mo.
„Ich kann nicht versprechen, dass es etwas ändert, aber irgendwo sollten wir beginnen“, antwortete Beo.
***
Die Nacht war längst hereingebrochen, als Zemal an seinem kleinen Zelt ankam. Bereits vor dem Eingang roch er Mo, sie wartete auf ihn. Ein Teil von ihm freute sich über den Besuch, ein anderer wäre am liebsten davongelaufen. Da aber Mos Kopf bereits durch den Zelteingang lugte, war es dafür zu spät.
„Na endlich. Ich dachte schon, die Ältesten würden die ganze Nacht auf deine Dienste bauen. Scheinbar bricht ohne dich ja die Gesellschaft der Verdammten zusammen“, begrüßte ihn Mo.
Ihre Augen strahlten dabei, einerseits wohl immer noch aus Wut auf die Ältesten, andererseits aber auch aus Freude, Zemal zu sehen.
„Mo, die
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