Die Legende der Alten: Teil 1: Erwachen (German Edition)
wollte nicht mutmaßen, wie sie zu Tode gekommen waren, und warum eigentlich auch nicht. Einen natürlichen Tod waren sie jedenfalls nicht gestorben. Für einen kurzen Moment lief Nomo ein Schauer über den Rücken. Sie hoffte nur, der Mörder lauerte nicht mehr hier unten. Hastig ließ sie den großen Raum und die Leiche hinter sich. Zumindest erleichterten die toten Wachen Nomo die Arbeit. Sie hatte viel über einen Plan nachgesonnen, wie sie Kex letztlich aus dem Kerker holen sollte, bisher mit nur mäßigem Erfolg. Jetzt benötigte sie keinen Plan mehr, vorausgesetzt Kex war überhaupt noch am Leben und befand sich in einem besseren Zustand als Kos. Wenig später, als sie wieder „Kex“ in einen der Gänge rief, hörte sie ein leises Stöhnen. Sie folgte dem Geräusch. Als sie sich sicher war, die richtige Zelle gefunden zu haben, schloss sie die Tür auf. Es stank nach Schweiß und Fäkalien. Kex blinzelte gegen das vom Gang einfallende Licht. Er hockte zusammengekauert auf ein paar Resten Stroh in der hinteren Ecke seiner Zelle. Als er nach einer Weile Nomo erkannte, stand er auf. Seine Kleider klebten als dreckige Fetzen an seinem Leib. Wo die Kleidung fehlte, konnte Nomo die nackte Haut unter einer Schicht Dreck und verkrustetem Blut nur noch erahnen. Immerhin stand Kex auf seinen eigenen Beinen, das würde seine Flucht wesentlich vereinfachen.
„Uh… Kannst du laufen?“, fragte Nomo und rümpfte ein wenig die Nase.
Kex kam ein paar Schritte auf Nomo zu. Er humpelte und immer wenn er das linke Bein aufsetzte, verzerrte er sein Gesicht ein wenig.
„Gut. Komm!“, forderte Nomo und ging voran.
Kex folgte ihr schweigend. Von Zeit zu Zeit musste Nomo warten, da Kex nur sehr langsam laufen konnte. Als Nomo anbot, ihn zu stützen, lehnte er aber ab. Nomo schüttelte daraufhin mit dem Kopf.
„Starrsinnig und stolz“, murmelte sie.
Und so wanderten sie weiter durch die Gänge des Kellers, der Weg kam Nomo viel länger vor, als vorhin. Vielleicht lag es an den häufigen Pausen, vielleicht auch an ihrer zunehmenden Angst. Wie sollte sie reagieren, wenn sie jetzt eine Wache erwischte? Je schneller sie hier verschwanden, desto besser. Endlich erreichten sie den großen Raum, die Hälfte war geschafft.
„Warst du das?“, fragte Kex, als sie an der Leiche des Wachmannes vorbeikamen.
„Wo denkst du hin. Der war schon tot“, antwortete Nomo.
Kex schaute sich die Leiche genauer an. Dann blickte er sich nach allen Seiten um, lief einmal an den Rand des Raumes und schaute über die nur kniehohe Mauer in den Abgrund. Fauliger Geruch stieß ihm entgegen, tief unten schimmerte etwas. Vielleicht war es aber auch nur Einbildung. Kex wurde schwindlig und er trat vom Abgrund zurück.
„Komm weiter“, drängte Nomo.
Im selben Moment huschte eine dunkel gekleidete Gestalt in den Raum. Mit wenigen schnellen Schritten war sie bei Nomo und schlug zu. Nomo stöhnte kurz und sackte dann zusammen. Die Gestalt fing sie auf und legte sie mehr oder minder sanft auf den Boden. Dann wandte sie sich Kex zu. Ihr Gesicht war bis auf die Augen vollständig verhüllt, und selbst die konnte Kex im Halbdunkel des Kerkers kaum erkennen. Ein Messer blitzte in ihrer Hand auf. Kex wich einen Schritt zurück, auf einen Kampf konnte er sich in seinem Zustand kaum einlassen. Eine Flucht war aber wohl auch keine Option. Kex Fersen berührten die Brüstung. Im selben Augenblick sprang die Gestalt vorwärts, ein Satz und sie stand direkt vor Kex. Im nächsten Augenblick stieß sie mit dem Messer zu. Kex hob abwehrend den Arm, die Klinge schnitt ins Fleisch. Schmerz überflutete Kex. Durch die Wucht des Stoßes aus dem Gleichgewicht gebracht, stürzte Kex nach hinten über die kleine Mauer. Er fiel.
Wendung
Königin Isi wühlte sich verschlafen aus den Kissen als der Diener – ein Tablett mit Wein und einigen Speisen in der Hand – in den Schatten der Laube eintrat. Er blieb einen Moment stehen, blinzelte bis sich seine Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten und schritt dann zu Isi heran. Mit einer tiefen Verbeugung begrüßte er sie, stellte das Tablett vor Isi ab.
„Meine Königin“
„Ihr habt Neuigkeiten für mich“, fragte Isi müde.
„Ja, meine Königin. Der Großwesir kann die Entführung unmöglich allein geplant haben. Alle seine Aktivitäten in dieser Angelegenheit begannen erst nach Nomos Verschwinden“, meldete der Mann.
„Houst verbirgt seine Handlungen meisterhaft. Vielleicht hat es nur niemand bemerkt“,
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