Die Legende der Alten: Teil 2: Wiederkehr (German Edition)
haben wir daraus keine neuen Erkenntnisse gewonnen“, beschwerte sich Ilbi.
„Die Tatsache, dass sich nichts verändert, ist eine neue Erkenntnis“, widersprach Georg Waldberger, „Die Wissenschaft kann sich nicht nur die spannenden Themen heraussuchen. Auch die Wichtigen müssen abgedeckt werden. Es ist zwingend notwendig, dass wir die Welt im Auge behalten. Solange noch Menschen auf ihr leben, verändert sie sich. Und solange wir nicht allen Menschen das Implantat, mein Geschenk, gegeben haben, damit sie ihre Nanosonden einfacher kontrollieren können, ist es unsere Pflicht, die Vorgänge zu beobachten. Es gab schon zu meiner Zeit starke destruktive Kräfte – sonst wäre die Menschheit nicht in die Steinzeit zurückgerutscht –, selbst unter den Wissenschaftlern. Ihr Bericht von dem Mann, Esrin war sein Name nicht wahr, bereiten mir zum Beispiel einige Sorgen. Immerhin befindet er sich ganz in der Nähe des Sonnenkraftwerks. Er hat zwar das Implantat bereits erhalten, weiß damit jedoch kaum umzugehen. Und es ist niemand aus meiner Zeit dort, der es ihm erklären könnte. Dieses Kraftwerk ist ausgesprochen gefährlich. Nach einigen Berechnungen könnte man damit die Erde komplett zerstören. Eine Fehlfunktion, zufällig oder auch absichtlich herbeigeführt, reichen dafür aus. Ihr Freund trägt noch immer den Prototyp des Gedächtnisses der Menschheit mit sich. Auch das Wissen über das Kraftwerk ist dort gespeichert“
Murrend zog Ilbi ab. Erneut sollte sie in ihren Gedanken Ausschau nach anderen Alten halten. Die Aufgabe blinkte an erster Stelle in ihrer Liste, ließ sich nicht einmal ausblenden. Erwartete Georg, dass sie in dieser anderen Stadt jemanden anderen als Esrin fand? Mehr als die Verdammten, die bisher von ihm das Geschenk erhalten hatten? Wenn diese Suche nur nicht so anstrengend, dabei aber unendlich langweilig wäre. Ilbi atmete resigniert aus. Es half nichts, je eher sie es erledigte, desto eher konnte sie sich wieder spannenderen Dingen zuwenden. Trotzdem nahm sie die Treppe anstatt des Fahrstuhls, es dehnte den Weg bis zu den Empfängern ein wenig. Den Raum zu kennen, machte ihn nicht gemütlicher. Ein kleines, fensterloses Kabuff mit einem – immerhin leidlich bequemen – Liegestuhl als einzigem Inventar. In dem noch kleineren Vorraum schaltete Ilbi die Empfänger an, dann schloss sie die – ebenso wie die Wände dick isolierte – Tür hinter sich. Sofortige, absolute Stille war das Ergebnis. Wenn die Empfänger nicht wären, mit denen man sein Bewusstsein über die Grenzen dieses Raums hinaus bewegen konnte, kein Mensch würde es wohl hier drinnen längere Zeit aushalten. Kurz justierte Ilbi noch einmal ihre Position auf dem Stuhl, dann schloss sie die Augen und konzentrierte sich. Auch nach Stunden des Trainings dauerte es eine Weile, bis sie erste Gedanken anderer Menschen spürte. Einer der Verdammten lernte eifrig die Sprache der Alten, während sich andere bereits darin unterhielten. Skio erklärte der neuen Ältesten Lelli eben die Funktionsweise des Nahrungsmitteldruckers, was Lelli ziemlich verstörte. Ilbis Bruder versuchte sich an der Reparatur eines kleinen Wartungsroboters, eine ganze Gruppe Verdammter beobachtete ihn dabei. Mittlerweile hatte jeder Verdammte das Geschenk von Georg erhalten. Einige sogen das Wissen der Alten regelrecht auf, andere tasteten sich eher vorsichtig heran. Sie alle gewöhnten sich an das Leben in Nadamal. Alle bis auf Älteste Piri. Sie weigerte sich, überhaupt etwas zu lernen, beharrte auf den alten Traditionen. Sie machte sich damit zunehmend lächerlich.
Ilbi verließ die Verdammten und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf bekannte Pfade. Hin zu der anderen Stadt, hin zu Esrin. Ärger und Wut schlugen ihr entgegen, als er ihrer gewahr wurde.
„Was willst du schon wieder, du verlogenes Miststück? Verschwinde aus meinem Kopf!“, schnauzte er sie an, „Wo sind die Goldlinge, die du mir beim letzten Mal versprochen hast? Wenn ich dich jemals finde, werde ich sie aus dir heraus prügeln“
Für einen Moment überlegte Ilbi, ob sie dem alten Mann einen Streich spielen sollte. Es machte ihr Spaß, ihn an der Nase herum zu führen. Sie fand seine grummelige Art, seine Schimpftiraden amüsant. Vor allem, weil sie sich weit außerhalb seiner Reichweite befand. Doch erneut drängte sich Georgs Aufgabenliste in ihre Gedanken und so zog sie sich von Esrin zurück. Sie ging noch ein paar Gedanken in Esrins Nähe nach. Doch diese waren derart
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