Die Legende der Alten: Teil 2: Wiederkehr (German Edition)
dessen Gesicht sich noch deutlich Spuren einer Schlägerei abzeichneten. Kinn und Nase waren schief, überall klebte noch Schorf. Auf eben diesen Mann ging Jarol zu, während Kex Hand reflexartig zum Griff seines Messers im Hosenbund schnellte.
„Was willst du miese kleine Ratte hier?“, quetschte der Mann hervor, als ihn Jarol erreichte.
Das Sprechen fiel im hörbar schwer.
„Ich muss mit Eurem Boss sprechen“, antwortete Jarol.
„Es gibt keinen Boss mehr“, brabbelte der Mann, „Der liegt tot im Staub, weil du dein Maul nicht halten konntest und die beiden gewarnt hast! Sie waren auf den Hinterhalt vorbereitet“
„Ich habe niemanden gewarnt. Ihr hattet mir aufgetragen, die beiden zu Euch in die Gasse zu locken, das habe ich getan. Dafür hattet Ihr mir das Artefakt versprochen“, entgegnete Jarol.
„Ha, gibt kein Artefakt. Und jetzt verschwinde“, sagte der Mann.
„Ich verlange, dass Ihr Euch an die Abmachung haltet. Mein Auftraggeber ist einer der mächtigsten Beseelten“, beharrte Jarol.
„Ich scheiß auf deinen Beseelten“, sagte der Mann und erhob sich.
Dann packte er Jarol plötzlich am Hemd und zog ihn zu sich.
„Siehst du mein Gesicht? Das verdanke ich dir. Du hattest deine Chance, habe dir gesagt, du sollst verschwinden. Jetzt werde ich dir deine Visage auch so verbeulen“, zischte er und verpasste Jarol im gleichen Atemzug eine kräftige Maulschelle.
„He, ihr macht mir Blutflecken auf den Boden“, lamentierte der Wirt.
„Schnauze, die sieht man in dem Dreck hier sowieso nicht“, schrie der Mann.
Er hatte sich offensichtlich in Rage gesteigert, schon sauste seine Hand wieder in Jarols Gesicht. Der jammerte und winselte bereits. Dabei hatte der Mann bisher nicht einmal die Faust genommen. Für einen Moment beobachtete Kex aus seiner dunklen Ecke das Geschehen, kaute dabei auf seiner Unterlippe. Schließlich trat er aus dem Schatten heraus.
„Lass ihn gehen“, rief er.
„Willst du auch eine auf Maul?“, brüllte ihm der Mann entgegen.
Er warf Jarol achtlos zur Seite, machte einen Schritt auf Kex zu, bis er ihn erkannte. Erschrocken blieb er stehen, ballte beide Hände zu Fäusten, rührte sich aber nicht mehr. Jarol kroch währenddessen eilig an ihm vorbei zur Tür.
„Wenn du mir nochmal über den Weg läufst, landest du im Staub, wie dein Boss“, drohte Kex dem Mann.
Dann drehte er sich gespielt gelassen um und verließ die Kneipe. Draußen erwischte er Jarol gerade noch am Kragen.
„Nicht so eilig. Wir zwei haben noch eine Unterhaltung“, sagte Kex.
„Lasst mich los. Ihr seid nicht besser als der da drinnen. Dafür werdet Ihr in der Grube landen“, stotterte Jarol.
„Da war ich schon. Damit kannst du mich nicht erschrecken“, entgegnete Kex.
***
Nomo war zufrieden mit sich. Desöfteren mischte sie sich nun in den täglichen Klatsch und Tratsch unter den Bediensteten ein. Anfangs hatte sie dabei vor Aufregung gestottert und sich beinahe in die Hosen gemacht, mittlerweile stellte sich eine gewisse Routine ein. Die größte Schwierigkeit bestand darin, ihre Beiträge richtig zu dosieren. War sie zu zaghaft, verpufften ihre Anmerkungen, ging sie zu forsch vor, riskierte sie, erkannt zu werden. Sie balancierte auf einem schmalen Grat. Nicht immer entwickelten ihre Worte die erhoffte Wirkung – manches rückte Kirai noch stärker in Richtung des königlichen Throns –, aber es zeigten sich auch erste Erfolge. Eine Gruppe junger Beseelter unterhielt sich offen über die wohl bald bevorstehende Rückkehr der Alten, gleich mehrere hatten dieses Gerücht aus Unterhaltungen ihrer Dienerschaft aufgeschnappt. Sie fragten Nomo neugierig über Kirais Beitrag an diesem Ereignis aus, schließlich wurde sein Name in diesem Zusammenhang immer wieder genannt. Nomo spielte die Überraschte, zierte sich, so als hätte sie von dem Gerücht noch nie etwas gehört, gab dann jedoch zu, dass Kirai gerade vor ihr ein großes Geheimnis daraus machen würde und sie vermutet, die ganze Angelegenheit solle vielleicht eine Hochzeitsüberraschung werden. Dies führte zu den beabsichtigten Spekulationen und Nomo hoffte, es würde sich zu einem allgemeinen Gesprächsthema entwickeln. Zumal jenen, die sich wirklich dafür interessierten, nicht entgehen dürfte, dass ein junger Priester im Tempel besonders intensiv in den Schriften der Alten wühlte und einige Ausflüge in die Stadt unternahm, um dort etwas bestimmtes zu suchen. Ein Priester, der noch vor kurzem häufig in der
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