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Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition)

Titel: Die Legende der roten Sonne: Nacht über Villjamur (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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erstmals mit der Armbrust aufs Gesicht eines anderen Menschen zielte, konnte es sich als schwierig erweisen zu schießen. Und viele Soldaten, die nun bei den Dragonern, der Marine oder dem Infanterieregiment Dienst taten, waren frisch rekrutiert und hatten sich nur verpflichtet, um den Härten der Eiszeit zu entgehen, da das Militär garantierten Sold bot.
    Jungen und Mädchen aus den ärmsten Gegenden des Kaiserreichs kämpften für die reichsten Regionen.
    Waren nicht alle Armeen der Geschichte nach diesem Muster rekrutiert worden?
    Stunden später ging Brynd als Erster von Bord des Schwarzen Frieter und betrat die Hauptinsel der Südfjorde unter einem mächtigen Himmel. Drohende Haufenwolken trieben rasch über eine mit kleinen, windzerzausten, durchweg schief gewachsenen Bäumen übersäte Landschaft. Seeschwalben flogen über ihre Köpfe und weiter zu den Brutkolonien in den steilen Klippen längs der Küste.
    Die vier Gardisten folgten einem Schotterweg, der einen grünen Hügel hinaufführte, und Brynd vermutete, dass die schwarz gekleideten Fremden mit ihren Schwertern und Äxten für eine junge Frau, die mit keinem Wort erfahren hatte, warum sie zurückbeordert wurde, einen einschüchternden Anblick bedeuteten.
    So verfallen der Tempel auch war: Mit seinen Mauerbögen aus Kalkstein und dem hohen Turm, den zwei kleinere Türme flankierten, war er ein imponierend schönes Gebäude. Was die Bauten der Jorsalir-Religion anlangte, war dies gewiss ein ungewöhnlicher Tempel und ansehnlicher als die Kirchen, die Brynd in Villjamur gesehen hatte. Vielleicht war er mehrere Hundert Jahre alt, den im Archipel geltenden Maßstäben zufolge noch jung; offenkundig jedenfalls war er zu einer Zeit erbaut worden, als die Jorsalir ungeheuer mächtig und reich gewesen waren, während das Kaiserreich ihnen inzwischen sogar Steuern auferlegte.
    Als sie sich dem Gebäude näherten, traten drei Frauen heraus, deren grüne Kleider flatterten wie Kriegsfahnen im Wind. Ihre Mienen waren genauso grimmig. Brynd hieß seine Kameraden zurückbleiben und ging allein weiter.
    Zwei der Frauen waren schon ein wenig gealtert, und graues Haar umgab ihre feinen Züge. Die dritte war jünger, doch ihr anmutiger Gang und ihr Auftreten gaben ihr etwas Altersloses. Sie hatte sich eine weiße Schmetterlingsbrosche an die Brust geheftet.
    »Sele von Jamur!«, begrüßte er die drei. »Ich bin Kommandeur Brynd Lathraea von der Nachtgarde.«
    Da war sie, die bestürzte Miene, mit der sie seine Haut und seine Augen musterten – es war immer das Gleiche.
    »Ach, der Albino? Sele von Jamur, Kommandeur!«, sagte die jüngste Frau. »Mein Name ist Ardune, und ich bin hier Priesterin. Diese beiden sind meine Klerikerinnen.«
    »Wurde Euch unsere Ankunft angekündigt?«
    »Allerdings«, erwiderte Ardune. Sie blinzelte mehrmals gegen den Wind, als sie über Brynds Schulter hinweg die drei anderen Männer betrachtete.
    Der Kommandeur zog taktvoll den Umhang über sein Schwert. »Und weiß Lady Rika, was geschehen ist?«
    »Sie hat nur wenig erfahren, wartet aber seit einiger Zeit im Tempel.«
    »Gut«, erklärte Brynd. »Nun, ich bin gekommen, um sie nach Villjamur zurückzubringen. Wir müssen möglichst rasch abreisen.«
    »Ihr bringt sie also fort«, sagte Ardune. »Einfach so?«
    »Sie hat eine Aufgabe zu erfüllen«, erläuterte Brynd. »Wir können uns im Leben nicht immer aussuchen, was wir tun wollen.« Das weiß ich schließlich selbst am besten.
    »Allerdings nicht, Kommandeur, doch Ihr könnt sie nicht einfach so mitnehmen . Sie hat hier ein Leben, versteht Ihr?«
    »Aber ja«, erwiderte Brynd und bemühte sich, einfühlsam mit den Empfindungen der Priesterin umzugehen. »Doch sie hat hier nur deshalb ein ruhiges Leben genießen können, weil sie die Tochter eines Kaisers ist. Wäre sie eine Einheimische oder ein einfaches Bauernkind, hätte sie nie ein so privilegiertes Leben zu führen vermocht. Und nun ist die Zeit gekommen, wo es wichtig ist, wer sie tatsächlich ist. Euch ist doch klar, dass dies nicht nur einige Priesterinnen angeht, sondern das gesamte Kaiserreich?«
    Da verlosch etwas in Ardunes Augen, und sie gab sich geschlagen. »So ziemlich, ja. Aber seid bitte feinfühlig! Sie ist ein Individuum, nicht nur ein Titel.«
    »Selbstverständlich. Vergesst nicht, dass ich es bin, der ihr von ihrem Vater berichten muss. Ich verspreche Euch, dabei sehr vorsichtig zu sein.«
    Ardune schien Rika aufrichtig zu schätzen, und doch wusste Brynd

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