Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)
säubern.
Ein zärtliches Lächeln huschte über ihre Miene, als sie neben ihn kroch und ihm die Hand auf den Bauch legte. Sie lagen in der Kaminwärme da, und ihr Schweigen vergrößerte die Vertrautheit nur. Sprachlose Unterredungen. Ihm war vage bewusst, dass weibliche Spinnen das Männchen nach der Begattung eigentlich töten, doch zum Glück hatte sie bisher keine solchen Absichten gezeigt.
Sollte ich allerdings irgendwie sterben müssen …
Am nächsten Tag würde er sich um die Leichen kümmern, die sie ihm gebracht hatte. Jetzt aber zündete er sich erst mal einen Zigarillo an und fuhr fort, sie nach ihrem Tag zu fragen.
»Der war gut«, sagte sie. »Dieser Ermittler amüsiert mich. Er will mich immer belehren, aber nicht überheblich, sondern eigentlich recht liebenswert.«
»Du hast also beschlossen, ihn nicht zu töten?« Voland streifte den Zigarillo im Aschenbecher auf dem Beistelltisch ab, während daneben das Feuer prasselte und das Holz in den Flammen barst.
»Ja, denn ich denke, er weiß wenig über die Vermissten. Ich könnte ihn zwar töten, aber … « – ihre Stimme klang angespannt – »… ich finde ihn vorderhand nützlich. Immerhin war vor einiger Zeit mal ein Soldat mein Opfer, und das mag ein paar Fragen aufgeworfen haben.«
Sie betrachtete ihn erneut und argwöhnte offenkundig, er sei mit der heutigen Auswahl unzufrieden und befürchte, sie werde unerwünschte Aufmerksamkeit erregen.
»Das ist schon in Ordnung.« Voland war tatsächlich ein wenig besorgt, wollte sie das aber nicht wissen lassen. »Erzähl bitte weiter!«
»Sein Kommandeur, ein Nachtgardist aus Villjamur, hat Ermittler Jeryd gebeten, den Fall zu untersuchen. Ich finde, wenn ich in seiner Nähe bleibe, kann ich die Dinge im Auge behalten. In mehreren Augen sogar.«
Sie lächelten über diesen Scherz.
»Und ich erfahre von Armeebewegungen und Kaiserlichen Sendschreiben«, fuhr sie fort. »Das könnte sich als nützlich erweisen. Falls tatsächlich ein Krieg ausbricht, bekomme ich das vielleicht früher mit. Wäre der Ermittler tot, hätte ich wahrscheinlich keinen Zugang mehr zu solchen Informationen.«
»Gibt es im militärischen Bereich zufällig etwas Neues?« Voland wollte informiert werden, sobald das erste Gefecht begann, denn womöglich müssten sie dann die Stadt verlassen.
»Nein. Die Soldaten haben Teile von Port Nostalgia und Allmende besetzt, um die Zitadelle besser verteidigen zu können. Die Ausquartierten bekamen Ersatzwohnungen in den Vorstädten zugewiesen. Auch wird die Stadtbevölkerung zum Kampf aufgefordert, und täglich lassen sich mehr Leute für die Bürgerwehr registrieren. Die Straßengangs allerdings sind noch immer nicht dabei, und das macht den Soldaten Sorge, da sie erfahrene Kämpfer brauchen. Das sind so die Informationen, an die ich gelange. Diese Quelle zu pflegen, ist also nützlich.«
»Bist du sicher, Liebes, dass du nicht nur nach Gründen suchst, ihn am Leben zu lassen?«, fragte Voland, zog an seinem Zigarillo, stand auf, streifte seinen Hausmantel über (den sie ihm aus Eigenseide gesponnen hatte), öffnete die Vorhänge und sah auf die Stadt hinunter. Mondlicht fiel auf sein Gesicht. Er drehte sich um und stellte sich ihrem Schweigen.
Nanzi sah kummervoll drein. »Er ist sehr liebenswert, das gebe ich zu. Er will Gutes tun, und es gibt zu wenig Leute in der Inquisition und in der ganzen Stadt, die die Dinge wieder zum Guten wenden wollen.« Sie redete voller Eifer und frischer Energie. »Seine Stellung verschafft mir Zutritt zu exklusiven Orten. Zudem kann ich seine Ermittlungen überwachen und bekomme jede Verschlechterung der Lage mit.«
»Die vielen Soldaten, die zusätzlich in die Stadt beordert wurden«, stellte Voland gemessen fest, »bedeuten, dass es viel mehr Mäuler zu stopfen gibt.«
»Ich soll also wieder losziehen? Langsam habe ich den Eindruck, die Anwesenheit all der Soldaten macht die Dinge gefährlicher.«
»Warum fliegst du nicht, um jedes Risiko zu vermeiden, nach Narbenhaus oder Shanties und schaust, ob es dort nicht wie neulich abends ein paar … Streuner gibt? Aber das hat Zeit; heute Nacht ist der Wind zu stark, und wir haben es hier gemütlich.«
»Und was ist mit Jeryd?«
»Entledige dich seiner nicht, solange er uns Zugang zu Informationen verschafft. Einer wie er wird besser am Leben gelassen, um uns von Nutzen zu sein. Aber ich rate dir, ganz in seiner Nähe zu bleiben und weiterhin alles zu beobachten, was er tut. So wird er dir
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