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Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Titel: Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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also schon recht lange dort.
    Ein Stück weiter standen zwei große Metalltabletts auf einer Werkbank und erinnerten Jeryd an die in Doktor Tarrs Leichenhaus in Villjamur. Es wunderte ihn nicht, sie voller innerer Organe zu sehen, die nur menschlichen Ursprungs sein konnten. Als er mit der Laterne darüberleuchtete, glitzerten sie, waren also noch recht frisch. Ein regloser Augapfel starrte zu ihm hoch, und Jeryd fuhr schaudernd zurück.
    Nichts von alledem freilich hatte der Klärung eines Verbrechens dienen sollen. Diese Leichen waren vielmehr für die Teller normaler Leute in Villiren bestimmt. Es handelte sich hier womöglich um das verabscheuungswürdigste Treiben, dessen Jeryd je gewahr worden war. Er stand inmitten einer Menschenfleischfabrik.
    Der Gestank war penetrant, und er wandte sich ab, um sich nicht übergeben zu müssen. Widerwillig begann er sich mit vorgehaltenem Taschentuch Notizen zu machen, Skizzen anzufertigen und alle Schrecken aufzulisten, die es zu sehen gab.
    Im schwachen Licht der Obsidianroten Kammer, die ihm in der Zitadelle für seine Besprechungen diente, sah Kommandeur Brynd Lathraea seinen Besucher Jeryd über den Tisch hin mit verzweifeltem Lächeln an. Ein Diener hatte ihnen ein Tablett mit Erfrischungen gebracht, und Jeryd musterte das Essen argwöhnisch. »Nein, danke … ich bin, äh, auf Diät.« Ich misstraue inzwischen allem, dessen Zubereitung ich nicht mit angesehen habe.
    Er hatte den Kommandeur gerade über das Schicksal der Vermissten informiert und darüber, was das hinsichtlich des verschwundenen Nachtgardisten bedeuten dürfte, und jede Einzelheit und Nuance des Falls enthüllt.
    »Ich finde all das nahezu unglaublich«, murmelte Brynd.
    Wer könnte es dir verdenken? Jeryd berichtete von den Geständnissen, zeigte dem Kommandeur erst Volands Tagebuch, dann seine eigenen Notizen. Er hielt das Buch seitlich und wies auf die Leichen und die Werkzeuge, die er skizziert hatte.
    »Menschenfleisch, das in der Stadt verteilt wird? Und Ihr geht davon aus, all dies geschah auf Urticas Veranlassung?«
    »Allerdings«, bestätigte Jeryd. Er erzählte Brynd von den Flüchtlingen in Villjamur, die Urtica in großer Zahl hatte töten lassen wollen, und dass er selbst nach Villiren fliehen musste, weil er in dieser Angelegenheit zu intensiv ermittelt hatte.
    »Wie dem auch sei – Voland hat grundsätzlich zugegeben, einen Vertrag mit Urtica zu haben. Er ist ganz aufrichtig, was seine Teilnahme an den Vorfällen angeht. Und nicht nur das: Auch der Bürgermeister scheint von den Schlachtungen gewusst und sogar eine Liste politischer Feinde beigesteuert zu haben – alles Leute, die er um seiner Bequemlichkeit willen beseitigt wünschte.«
    Der Albino bedachte diese Neuigkeit eine Zeit lang, und Jeryd hätte schwören können, dass seine Augen dabei in einem noch intensiveren Rot brannten als zuvor.
    »Sogar ich habe gegenwärtig Probleme, den Bürgermeister zu erreichen«, sagte Brynd schließlich. »Niemand scheint zu wissen, wo er ist. Ihm Nahestehende deuten an, er sei der Bomben wegen aus der Stadt geflohen. Doch das ist an sich egal – ich habe Vorkehrungen getroffen, die die militärische Kontrolle über Villiren sicherstellen. Die Verfolgung der Korruptionsvorwürfe allerdings wird leider warten müssen.«
    »So ist das Leben.«
    »Und Eure Gehilfin Nanzi, die hier ein und aus ging: Habt Ihr wirklich nicht geahnt, dass mit ihr etwas nicht stimmt?«
    »Sie ist eine heillose Psychopathin. Ihr wisst ja: Die beiden sind aufrichtig davon überzeugt, ein gutes Werk zu tun! Sie glauben wirklich, der Stadt damit zu dienen, da das Fleisch den übrigen Einwohnern das Überleben erleichtert. Nanzi hilft der Bevölkerung durch ihre Arbeit für die Inquisition; die Leute zu ernähren, hat in ihrem Kopf den gleichen Stellenwert.«
    »Eine perverse Logik«, meinte Brynd.
    Ein Bote unterbrach ihre Besprechung, flüsterte seinem Vorgesetzten etwas ins Ohr und verließ eilends den Raum. Jeryd bemühte sich vergeblich, die Miene des Kommandeurs zu dechiffrieren – dieser Mann gab kaum etwas preis.
    Brynd lächelte traurig. »Ich fürchte, Herr Ermittler, ein heftigerer Angriff auf Villiren steht unmittelbar bevor.«
    »Glaubt Ihr, Ihr könnt die Stadt retten?«
    Brynd blickte in einen inneren Abgrund. »Lasst mich Euch etwas erklären: Der Bürgermeister hat einer furchtbaren politischen Kultur Tür und Tor geöffnet. Ich weiß nicht, welcher Methoden er sich bedient, aber ich habe nirgendwo

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