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Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Titel: Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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äußersten Ende seines Gesichtsfeldes sah er etwas glimmen und hielt im Sinkflug landeinwärts.
    Es war unglaublich, doch in der Luft schwebte ein Tor von der Höhe eines zweistöckigen Gebäudes. Blassviolettes Licht drang daraus hervor, und die dunkleren Linien zeigten, dass sich dahinter eine Art Gitter befand, als verdankte sich diese Erscheinung der Mathematik. Die Luft um das Tor herum flimmerte, doch das – so vermutete der Garuda – würde wohl kein menschliches Wesen wahrnehmen können, und so würde es schwer sein, dem Kommandeur das Phänomen zu beschreiben. Er flog einen Kreis und blieb dabei hoch genug, um nicht leicht gesehen zu werden. Eisiger Wind zerrte ständig an seinem schwebenden Leib.
    Um das erstaunliche Tor waren mehrere Regimenter der neuen Gattung versammelt, und Rumeloffiziere ritten zwischen ihnen. Ab und an war etwas inmitten des violetten Lichts zu erkennen: eine schimmernde Silhouette, die vor dem leuchtenden Hintergrund kaum auszumachen war; dann trat eine einzelne Gestalt aus dem Umriss hervor und bekam vor dem Schnee ringsum klarere Konturen. Meist war es ein weiterer Okun, mitunter ein Rumel. Woher kamen sie, und wohin würden sie sich wenden?
    Plötzlich stieg von unten ein Pfeil auf, und Gybson konnte gerade noch rechtzeitig ausweichen, sodass er nur die Flügelspitze streifte. Ein zweiter Pfeil folgte, verfehlte ihn aber und stürzte dann vom Himmel wie ein sterbender Vogel.
    Flugleutnant Gybson wusste, wann er aufzuhören hatte.
    Also schwang er sich aufwärts, kehrte in den Schutz einer großen Flughöhe zurück und machte sich wieder auf den Weg zu seinem Stützpunkt, um Bericht zu erstatten.

KAPITEL 7
    M anche Leute sahen Villiren als Ansammlung isolierter, von breiten Durchgangsstraßen getrennter Stadtviertel. Da gab es zuerst die Altstadt unter den langen Schatten der Onyxflügel und nördlich davon die imposante Zitadelle, auf die Malum nun zuhielt. Die Stadtteile Salzwasser und Tiefland lagen nur wenige Straßen südlich davon und wurden beide von den Screams beherrscht. Weiter draußen und auf der anderen Seite der Flügel kam erst Allmende, dann Narbenhaus, wo viele ehrbare Händler lebten. Gleich nach Port Nostalgia mit seinen am Hafen gelegenen Hotels, die wegen der Winterstarre geschlossen waren, lag Shanties, ein Bezirk, in dem überwiegend arme Fischer und Schauerleute wohnten. Und dann gab es noch diverse Ausläufer der Stadt, die unter dem Begriff Brachland firmierten, obwohl es seit mindestens dreißig, vierzig Jahren keine Brachen mehr waren. Multikulturelle Nischen waren dort entstanden. Ansiedlungen von Exilierten, die eine eigene Art der Zugehörigkeit zu Villiren entwickelt hatten, wie das Folke-Viertel oder der Jokull-Distrikt – inoffizielle Bezeichnungen, die den Stadtplanern wenig sagten. Und dahinter wiederum lag der dunkle, tannenübersäte Hexenwald, in den sich die wuchernde Stadt ständig weiter hineinfraß. Inmitten des Forsts erhob sich der Müllberg, der es inzwischen zum höchsten Punkt weitum gebracht hatte und den die Möwen und Obdachlosen nach Kräften plünderten.
    Villiren war ein Flickenteppich sehr unterschiedlicher Viertel, und unsichtbare Grenzen trennten namenlose Straßen; Straßen, die man besser nicht querte, wenn man sich keinen Ärger einhandeln wollte. Dieses Revierverhalten gab Malum und seiner Gang ein Gefühl von Heimat, und wie in den meisten großen Städten des Boreal-Archipels gab es viele Tunnel und ausgeschachtete Höhlen, in denen sie sich verstecken konnten.
    Tatsächlich arbeitete Malum überwiegend aus diesem unterirdischen Netzwerk heraus. In Villiren musste man den Abstieg unter die Erde von jemandem sichern lassen, der einem traute. Dann begab man sich mit raschem Schritt zur Seite außer Sicht und stieg von einer bestimmten Ecke der Altstadt in den Untergrund. Diese Gänge waren unter der Stadtmitte hindurchgetrieben und wurden von vermummten Gestalten bewacht, die sich mit Schwertern und Messern auskannten.
    Malum war mit Dreitagebart und einem schwarzen Mantel unterwegs, unter dem er eine dicke Wolltunika mit über den Kopf gezogener Kapuze trug. Auch seine rote Bauta-Maske hatte er aufgesetzt, an der Hüfte steckte ein Messer, und er nahm bei jedem Schritt zwei Stufen.
    Schließlich erreichte er das Herz des unterirdischen Villiren, wo die Unterwelt zu Hause war; ein von Laternen und Meeresleuchten erhelltes Niemandsland, dessen lange Gänge staubige Höhlen verbanden, in denen alte, baufällige

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