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Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition)

Titel: Die Legende der Roten Sonne: Stadt der Verlorenen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Charan Newton
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– mehr als die üblichen flirtenden Blicke: Er hat mir stets lang und tief in die Augen geschaut. Dann hab ich mit anderen Männern geredet, die mich ansprachen, und Lupus dabei manchmal angesehen, manchmal nicht. Eifersucht ist ein Nährboden der Liebe – das hat er selbst mal gesagt. Wenn man in Tavernen arbeitet, beobachtet man das oft. Wie dem auch sei: Er hat mich vom Boden hochgezogen, mir einen Krug Wasser gegeben und abgewartet, bis ich einigermaßen nüchtern war. Er hatte so herrliche Augen – wie ein Wolf.«
    »Süße, das klingt herrlich romantisch: Du hast dich besoffen, und er hat dich abgeschleppt.«
    »Halt den Mund, Zizi! Es war wirklich gut – es hat Spaß gemacht. Und wir haben nette Sachen unternommen, jede Menge. Vor der Winterstarre konnte man viele Kilometer ins Grasland und in die Wälder wandern. Wir haben ein Zelt mitgenommen und die Sommerabende in seliger Umarmung verbracht. Wir sind zu den menschenleeren Seen im Inland gezogen und haben geangelt und Feuer gemacht. Ich habe Hasenfallen aufgestellt und manchmal mit seinem Bogen ein Reh geschossen. Ich liebe diese Insel Y’iren. Man glaubt, man sei zu zweit allein auf der Welt. Wir haben viermal am Tag miteinander geschlafen.«
    »Hör auf, du machst mich eifersüchtig! Ich brauch was zu trinken, auch wenn es dafür zu früh ist.« Zizi stand auf, bestellte bei dem jungen Kellner Whisky zum Kaffee, setzte sich wieder und forderte Beami mit dem Finger auf weiterzuerzählen. »Seit einem Jahr hab ich nichts erlebt, was der Liebe näher gekommen ist als diese Enthüllung.«
    »Nun, ich war zwei Jahre älter als Lupus. Er war völlig entspannt, und darum haben wir wohl so gut harmoniert. Ich brauchte mitunter wen zum Rumkommandieren, und er vermochte nie, etwas zu entscheiden. Ich brauchte jemanden, dem ich von meinem Frust erzählen konnte, und er hat gern zugehört.«
    »Warum ist es auseinandergegangen?«, fragte Zizi. »Das alles klingt zu schön, um wahr zu sein, und doch habt ihr es nicht zusammen ausgehalten.«
    »Wegen der Armee«, sagte Beami. »Er wollte Nachtgardist werden, und ich wollte bleiben und arbeiten. Es ist sehr selten, dass eine Frau im Kaiserreich es zu etwas Besonderem bringt, und meine Zeit Relikten zu widmen, schien mir einen Weg dorthin zu eröffnen. Diese Beschäftigung wollte ich für niemanden aufgeben. Wir begannen uns laut zu streiten und unternahmen jene Kleinigkeiten, mit denen Leute versuchen, einander eifersüchtig zu machen, damit der andere sie stärker begehrt . Er versprach, oft zu schreiben, und anfangs kamen auch lange, ausufernde Briefe, doch dann hielt er mich nur noch über Veränderungen auf dem Laufenden. Und recht bald hab ich nichts mehr von ihm gehört.«
    »Das bricht mir wirklich das Herz«, verkündete der plötzlich blitzwache Rymble, dem nach Geselligkeit zumute war. »Ich könnte darüber ein Gedicht zu Papier bringen, wenn du versprichst, dir nicht den Hintern damit abzuwischen«, fuhr er fort und spielte dabei mit den goldenen Bändern seiner Halbmaske.
    »Nicht mal dafür sind deine Gedichte gut genug, du Schwachkopf«, verkündete Zizi, und Beami musste lachen.
    Als würde man sich mit einem Relikt einen Weg zurück in die eigene Vergangenheit bahnen.
    Das war nun die überaus rare Gelegenheit – eine Chance, wie sie nur die wenigsten Menschen bekamen. Beami erinnerte sich nicht, wann sie sich zuletzt so gefühlt hatte: diese lodernde Beklemmung in ihr; die Sorge, wie sie aussah, ob ihr Atem frisch und ihr neues Parfüm nicht zu stark, zu offensichtlich war; und ob er nach all den Jahren noch dasselbe für sie empfand. Der Spiegel war zu einer Art Werkzeug geworden, mit dessen Hilfe sie sich auseinandernahm und all die Veränderungen bemerkte, die das Alter mit sich gebracht hatte. Doch sie war noch jung. Schließlich war es keine Ewigkeit her, seit sie sich zuletzt gesehen hatten.
    In ihrem besten Aufzug, der aus zwei Lagen dunkelrotem Stoff und einem schwarzen Schal bestand und ihr in Villiren seit Jahren beste Dienste geleistet hatte, wartete sie. Auf ihn .
    Beami musterte die Einrichtung ihres Zimmers. Alles war teuer: schmuckes Mahagoni, das nicht von der Insel stammte; aufwendig gefertigte, mit Mustern noch unbekannter Stämme verzierte Teppiche und Vorhänge; Ornamente, die einen Namen haben mochten (oder nicht); ein gläsernes Wandtischchen. Die Qualität all der Dinge diente dazu, den Reichtum ihres Mannes zu versinnbildlichen, doch sie waren ihr herzlich egal. Eine

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