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Die Legende der Wächter 10: Der Auserwählte (German Edition)

Die Legende der Wächter 10: Der Auserwählte (German Edition)

Titel: Die Legende der Wächter 10: Der Auserwählte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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lange aushalten. Hab ich Recht?“ Als er nicht gleich eine Antwort bekam, sträubte er das Nackenfell und wiederholte knurrend: „Hab ich Recht?“
    Die Wölfin mit dem gelblichen Pelz klemmte den Schwanzstummel ein, duckte sich und erwiderte ängstlich: „Gewiss, Herr, gewiss.“
    Dunleavy stand auf und drehte eine Runde durch die Höhle. Ein Wurf erst kürzlich geborener Welpen hatte sich in den hintersten Winkel verzogen. Die Wolfskinder waren noch klein, hatten aber schon begriffen, dass man ihrem Vater besser aus dem Weg ging. Einen schwarzen Welpen namens Blackmore hatte er bereits in einem Wutanfall gegen die Höhlenwand geschleudert. Seither war Blackmore nicht ganz richtig im Kopf und konnte nicht mehr geradeaus laufen. Auch Dunleavys Gefährtinnen trugen Spuren seines Jähzorns. Über Ragwyns Gesicht zog sich eine lange, gezackte Narbe. Dagmar hatte die halbe Zunge eingebüßt und Sinfagel hatte nur noch ein Auge, so wie Dunleavy selbst jetzt auch. Dunleavy baute sich vor jedem seiner Weibchen auf und knurrte es an: „Hab ich Recht?“
    Sinfagel warf sich vor ihm auf den Boden. Er stieß ihr die Pfote ins Gesicht. „Schau mich gefälligst an, wenn ich mit dir rede!“ Dann lachte er. „Wir beide geben ein schönes Paar ab – jeder mit einem Auge. Hab ich Recht?“
    „Gewiss, Herr“, antwortete Sinfagel mit zittriger Stimme.
    Auch nach drei Tagen war die abtrünnige Horda nicht zurückgekehrt. Dunleavy hielt es für unwahrscheinlich, dass ein anderer Clan sie aufgenommen hatte. Sie war zu alt, um noch Welpen zu bekommen. Die Schnellste war sie auch nicht mehr. Auf der Jagd blieb sie hinter den anderen Weibchen zurück. „Sie kommt schon noch. Es ist nur eine Frage der Zeit“, knurrte Dunleavy halblaut vor sich hin.
    Am vierten Tag schickte er Ragwyn auf die Suche. Er wollte wenigstens wissen, wo Horda steckte. Was Ragwyn bei ihrer Rückkehr berichtete, gefiel ihm gar nicht.
    „Horda hat sich eine Höhle in Fengos Nähe gesucht.“
    „Macht er sich etwa an sie ran?“ Welche Demütigung, wenn sich Fengo mit einem seiner Weibchen zusammengetan hätte! Horda gehört immer noch mir, beim Lupus!
    „Keine Sorge. Fengo beachtet sie gar nicht“, beruhigte ihn Ragwyn. So ganz stimmt das zwar nicht, aber das behalte ich lieber für mich. Sie wechselte das Thema. „Im Süden wurden mehrere Eulen gesichtet. Sie müssten bei Mondaufgang hier eintreffen.“
    „Ist Gränk dabei?“
    „Ja, Herr. Er wird von mindestens zwei anderen Eulen begleitet.“
    „Soso …“, knurrte Dunleavy.
    Obwohl Gränk den Hinterlanden Jahr für Jahr Besuche abgestattet hatte, war Dunleavy ihm gegenüber immer misstrauisch geblieben. Er schloss das verbliebene Auge. Manchmal kam es ihm vor, als könnte er mit der leeren Augenhöhle immer noch sehen. Und wenn nun der Eulenkönig kommt und die Wolfsglut holen will? Er hatte eine Eingebung. „Bring mir meinen Zierknochen, Ragwyn.“
    Wie viele Wölfe vertrieb sich Dunleavy die Zeit damit, Muster in die abgefressenen Knochen seiner Beute zu nagen. Verglichen mit den Kunstwerken seiner Artgenossen waren seine Schöpfungen primitiv, aber er war trotzdem stolz darauf. Er hatte in seiner Höhle einen ganzen Berg benagter Knochen aufgetürmt. Ragwyn kam mit einem davon im Maul angetappt.
    „Doch nicht den! Hol mir meinen besten!“ Dunleavy versetzte einem Welpen, der sich zu nah an ihn herangewagt hatte, einen Tritt. Ragwyn kam mit dem gewünschten Knochen zurück. Dunleavy hatte den Umriss eines Vulkankegels hineingenagt.
    „Hör gut zu. Bring Horda den Knochen. Wenn sie mir Bericht erstattet, was die Eulen hier wollen, darf sie ihn behalten. Meinetwegen gewähre ich ihr ein paar Tage Bedenkzeit. Wenn sie auf meinen Vorschlag eingeht, verzeihe ich ihr sogar, dass sie mich verlassen hat.“
    Ragwyn machte große Augen. „Willst du wirklich deinen besten Zierknochen herschenken?“ Sie bereute die Frage sofort. Dunleavy versetzte ihr einen so heftigen Pfotenhieb, dass sie das Gleichgewicht verlor.
    „Da vorn ist er!“
    Gränk deutete mit dem Schnabel auf einen hohen Felsen. Fengo hatte seinen Eulenfreund bereits entdeckt. Er stieß ein Freudengeheul aus. Sein prächtiges Fell glänzte im Schein von Mond und Sternen. Gränk erklärte seinen Begleitern, dass in den Hinterlanden keine gewöhnlichen Wölfe lebten, sondern die als ausgestorben geltenden Urzeitwölfe. Sie waren dreimal so groß wie gewöhnliche Wölfe.
    Beim Näherfliegen fielen Hoole Fengos grüne Augen auf.

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