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Die Legende der Wächter 2: Die Wanderschaft

Die Legende der Wächter 2: Die Wanderschaft

Titel: Die Legende der Wächter 2: Die Wanderschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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meinte.
    Trotzdem hielten sich die beiden Jungvögel gern in der Bibliothek auf. Sie lernten, Ezylrybs Gebrumm zu überhören, seinen Fuß nicht zu beachten und seinem unheimlichen Blick auszuweichen. Die Bibliothek lag hoch oben in der Baumkrone. Die Wände der geräumigen Höhle säumten Bücherregale, der Boden war mit weichen Knüpfteppichen aus Moos, Gras und Flaumfedern ausgelegt.
    Als Soren und Gylfie heute eintraten, saß Ezylryb auf seinem Stammplatz, neben sich den unvermeidlichen Raupenvorrat. Ab und zu pickte er eine Raupe auf und zermalmte sie im Schnabel, den er ansonsten in ein Buch mit dem Titel Magnetische Kräfte und ihr natürliches und widernatürliches Vorkommen in der Natur steckte.
    Soren ging zu einem Regal mit Werken über Kirchen. In Kirchen hatten Schleiereulen wie er selbst früher oft genistet. Soren schaute sich gern die Abbildungen an. Es gab wunderschöne Kirchen mit Fenstern in allen Regenbogenfarben und steinernen Säulen, die bis in den Himmel emporzuragen schienen. Der Schleiereulenjunge bevorzugte allerdings die schlichteren, farbig gestrichenen Kirchen aus Holz mit ihren schmalen, hohen Glockentürmen.
    Gylfie las am liebsten Bücher mit Gedichten, Scherzfragen und Witzen. Sie hielt nach einem Buch Ausschau, das sie gestern angefangen hatte. Der Titel lautete: Haushalten mit Humo r – Eine Sammlung von Scherzfragen, Rezepten und Tipps für die vielseitige Eulennesthälterin. Die Verfasserin war Philomena Dudelsack, eine sehr bekannte Blindschlange und Nesthälterin mit langjähriger Erfahrung.
    Als Gylfie das Buch eben aus dem Regal nehmen wollte, ertönte plötzlich eine Bassstimme: „Lies lieber mal was Vernünftiges, Kleine. Philomena Dudelsack ist doch Pillepalle. Warum nimmst du dir nicht etwas Gehaltvolleres vor?“
    „Zum Beispiel?“, fragte Gylfie eingeschüchtert.
    „Zum Beispiel das da drüben.“ Ezylryb wies mit seinem verstümmelten Fuß auf ein Buch.
    Soren konnte nicht anders, er musste den Fuß anstarren. War der Kreischeulerich schon so aus dem Ei geschlüpft, wie manche Eulen hier behaupteten, oder hatte er die Zehe im Kampf mit Krähen eingebüßt? Die drei verbliebenen Glieder ragten krumm und mit spitzen Krallen in die Luft. Soren und Gylfie legten unwillkürlich das Gefieder an, wie Eulen es machen, wenn sie sich fürchten. Der Alte stand von seinem Tisch auf, humpelte zu dem Regal, hakte eine Kralle in das Buch und zog es heraus. Wieder blickten Gylfie und Soren gebannt auf seinen Fuß. „Das Buch sollt ihr anschauen, ihr Schwachköpfe, nicht meine Zehen! Oder schaut euch meinetwegen meine Zehen a n … dann aber richtig, damit ihr euch endlich an den Anblick gewöhnt!“ Er hielt ihnen den verkrüppelten Fuß unter die Schnäbel. Die beiden Jungvögel wären vor Schreck beinahe in Ohnmacht gefallen.
    „Wir sind ja schon an den Anblick gewöhnt“, keuchte Soren.
    „Schön. Dann lest mir doch mal den Titel des Buches vor.“
    Gylfie las stockend: „Die Stimmungen des Muskelmagen s – Eine physiologische Interpretation dieses unentbehrlichen Organs bei den Strigiformes.“
    „Was sind ,Strigiformes‘?“, raunte Soren Gylfie zu.
    „Das sind wir. ,Strigiformes‘ ist ein Oberbegriff für alle Eulenarten, für Elfenkäuze, Schleiereule n …“, sie schielte zu Ezylryb hinüber, „ … Kreischeulen und alle anderen.“
    „Richtig, Kleine. Jetzt erhöhen wir den Schwierigkeitsgrad. Ihr lest im Chor weiter.“ Ezylryb heftete das braune Auge auf sie. „Dann kommt ihr auch nicht mehr dazu, über meinen Fuß nachzugrübeln. Ein letzter Blick gefällig?“ Noch einmal streckte er den Fuß in die Höhe, dann humpelte er wieder zu seinem Tisch, wobei er an der kleinen Feuerstelle kurz stehen blieb und in der Glut stocherte.
    Soren und Gylfie schlugen das Buch auf. Zum Glück enthielt es eine Menge Abbildungen, aber erst einmal mussten die beiden den ersten Absatz des Textes bewältigen.
    Der Muskelmagen ist ein wahrhaft bewundernswertes Organ. Als zweiter Magen hinter dem Vormagen sortiert er unverdauliche Nahrungsbestandteile aus, zum Beispiel Knöchelchen, Fell, Haare, Federn und Zähne. Das alles presst er zu säuberlichen Ballen zusammen, die man Gewölle nennt. Die Gewölle werden durch den Schnabel wieder ausgewürgt. (Siehe Fußnote: Identifizierung von Gewöllen verschiedener Eulenarten.)
    „Ich glaube, die Fußnoten können wir überspringen“, flüsterte Soren. „Der Text ist so schon schrecklich langweilig.“
    „Ich überspringe die

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