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Die Legende der Wächter 6: Die Feuerprobe

Die Legende der Wächter 6: Die Feuerprobe

Titel: Die Legende der Wächter 6: Die Feuerprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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Otulissa hat mehr Puste als irgend so ein kata-dingsbums Wind“, schimpfte Morgengrau gedämpft und rief dann laut: „Kann ihr nicht mal einer ’ne Maus in den Schnabel stopfen?“
    „Schön wär’s!“, seufzte Ruby.
    Schon drei Tage lang saßen sie hier fest. Sie hatten nichts zu fressen außer den paar Fischen, die hin und wieder von der Brandung emporgeschleudert wurden und auf dem „Knauf“ des Eisdolchs liegen blieben. Die Ga’Hoole-Eulen machten sich aber nichts aus Fisch, genauso wenig wie aus den zähen Lemmingen, von denen sie sich zuvor hatten ernähren müssen.
    „Was ist denn das da?“, fragte Digger. Wieder war ein Meeresbewohner auf den Knauf geschwemmt worden. „Es liegt auf dem Rücken und fuchtelt mit den Klauen.“
    „Das ist ein Hummer.“ Otulissa setzte sogleich zum nächsten Vortrag an. „Hummer sind Schalentiere. Sie gehören zum Stamm der Gliederfüßer oder Arthropoden. Wir Eulen dagegen gehören dem Stamm der Chordatiere an, weil wir nämlich einen Kopf und einen Schwanz besitzen, ein an beiden Enden offenes Verdauungssystem un d …“
    „Aufhören, zum Hägsmir!“, fiel ihr Digger ins Wort. „Stopf dir meinetwegen einen Gliederfüßer in den Schlund, aber sei endlich still!“
    Soren blinzelte verblüfft. Wenn sogar der ruhige, stets auf Harmonie bedachte Digger anfing herumzuschreien und zu fluchen, war es wirklich ernst. Anscheinend griff ein Höhlenkoller um sich. Der Höhlenkoller befiel Eulen, wenn sie ihre Baumhöhle längere Zeit nicht verlassen konnten. Leider saßen Soren und seine Gefährten noch nicht einmal in einer gemütlichen, weich ausgepolsterten Höhle, sondern drängten sich auf einem schmalen Vorsprung zusammen, wo auch noch die Waffenbeutel Platz finden mussten. Über ihren Köpfen und am unteren Rand des Felsvorsprungs hingen dicke Eiszapfen, die mit jeder Minute länger zu werden schienen. Den jungen Eulen kam es vor, als säßen sie im zähnestarrenden Maul eines riesengroßen Raubtier s – wahrhaftig kein angenehmer Aufenthaltsort. Und alle acht quälte der Hunger. Zwar wurden vom Meeresgrund Geschöpfe aller Art emporgespült, doch sah keines von ihnen besonders appetitlich aus.
    Digger hatte die Fassung wiedererlangt. Misstrauisch beäugte er einen angespülten Tintenfisch. „Wer will denn so was fressen?“
    „Wo ist da überhaupt vorn und hinten?“, fragte Eglantine.
    „Acht Bein e – so was Albernes“, meinte Gylfie. „Wenn ich sie wäre, würde ich vier davon gegen ein anständiges Paar Flügel eintauschen.“
    „Woher weißt du denn, dass es eine ‚Sie‘ ist?“, fragte Ruby.
    Otulissa ergriff die Gelegenheit: „Tintenfische vermehren sich getrenntgeschlechtlich. Das heißt, dass si e …“
    Bitte, bitte halt den Schnabel! Ich kann’s nicht mehr hören! Aber als Brigadeführer muss ich Haltung bewahren. Ich darf kein schlechtes Vorbild sein. Soren hätte Otulissa am liebsten einen Eiszapfen über den Schädel gehauen. Er schloss die Augen und atmete tief durch.
    Da stupste ihn jemand an. Es war Gylfie. „Wer kommt da, Soren? Die sehen aber gar nicht vertrauenerweckend aus!“

Piraten

    Gylfie hatte leider Recht. Die Gefährten wurden still. Mindestens zehn Eulen flogen auf den Eisdolch zu. Schon von Weitem erkannten die Freunde, dass es sich nicht um die Krieger des Kjellbündnisses handelte, deren Bekanntschaft sie auf der Schwarzhuhninsel gemacht hatten. Die fremden Eulen waren keine Frostschnäbel und gehörten auch nicht dem Glaux-Kommando an. Wohl aber waren sie bewaffnet. Ihr Gefieder war jedoch nicht schwarz, weiß, braun oder grau, wie es sich gehörte, sondern leuchtend bunt: rot und lila, grün und blau. „Guter Glaux, habt ihr schon mal solche Federn gesehen?“, rief Martin fassungslos.
    „Halten die sich etwa für Papageien?“, fragte Morgengrau.
    „Nein, das sind Kraaler “, antwortete Otulissa.
    „Hä?“
    „ Kraaler. So heißen Piraten auf Krakisch.“
    „Piraten!“, riefen die anderen Eulen erschrocken.
    Otulissa riss sich ausnahmsweise zusammen und hielt keinen Vortrag über ausgefallene Vogelarten, denn trotz ihres sonderbaren Aussehens handelte es sich bei den Piraten um ganz gewöhnliche Eulen. Die Fleckenkäuzin hatte in dem Epos Yigdaldisch Ga’far etwas über Kraaler gelesen. Diese Versdichtung handelte von den Heldentaten der legendären Schnee-Eule Stolzfuß und des Uhus Hitzschnabel.
    Pirateneulen waren der Fluch der Nordlande. Sie gehörten keinem Bündnis an. Sie stahlen und mordeten.

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