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Die Legende der Wächter 6: Die Feuerprobe

Die Legende der Wächter 6: Die Feuerprobe

Titel: Die Legende der Wächter 6: Die Feuerprobe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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gleichmäßigen Flügelschläge erzeugten die Piraten eine Art Vakuum, ein Luftloch, das Gylfie buchstäblich einsaugte. Darin war sie zwar geschützt, konnte ihren Entführern aber auch nicht entkommen.
    Ein luftdichtes Gefängni s – raffiniert! Gylfie hatte gehofft, die Piraten überlisten zu können. Aber wer ein Flugvakuum wie dieses austüftelte, war alles andere als dumm. Gylfie musste sich aufs Beobachten und Belauschen verlegen. Die Piraten sprachen einen krakischen Dialekt, aber zu ihrer Verblüffung verstand sie das meiste. Anscheinend hatte sich ihr Krakisch durch den Aufenthalt bei den Glaux-Brüdern ganz von selbst verbessert.
    Der Morgen graute bereits. Gylfie warf einen prüfenden Blick auf die verblassenden Sterne und die aufgehende Sonne und stellte fest, dass sie nach Nordosten flogen. Sie mussten sich irgendwo zwischen dem Bittermeer und der Reißzahnbucht befinden. Unter ihnen erstreckte sich eine kahle Eislandschaft, demnach lag das Wintermeer schon hinter ihnen. Die Risse im Eis waren eher grünlich, nicht blau wie die Fugen zwischen Eisschollen, wo das Wasser durchschien. Gylfie begriff, dass sie über den Hrat’gar-Gletscher flogen. Die aufgehende Sonne färbte sich seltsam pfefferminzgrün, dann sah Gylfie unnatürlich dunkelblaue Gipfel aufragen.
    Daher haben die Piraten wahrscheinlich ihre Vorliebe für leuchtende Farben , dachte sie säuerlich. Wenn man so hoch im Norden in einer von Eis und Schnee bedeckten Welt lebte, verwandelten sich Licht und Luft offenbar in eine Art Prisma und zerlegten das allgegenwärtige Weiß in sämtliche Regenbogenfarben.
    Wo die Piraten wohl ihre Nester hatten? Wahrscheinlich in irgendwelchen Gletscherspalten, denn Bäume gab es hier nicht. Bestimmt bekomme ich wieder Baumweh , dachte Gylfie missmutig, wobei das wahrscheinlich noch ihr geringstes Problem war. Was hatten ihre Entführer mit ihr vor? Diente sie ihnen als Geisel? Was sollten die Piraten sonst mit ihr anfangen?
    Die Piraten lebten aber nicht in Eisspalten auf den Gletscherkuppen, sondern in Bodennestern zwischen und unter den Felsen. Gylfie wurde in eine Felszelle gesteckt und Tag und Nacht bewacht. Sie stellte fest, dass keineswegs die ganze Gegend mit Eis bedeckt war. Die Piraten hatten sich in einem Landstrich niedergelassen, wo Moos, Flechten und niedrige Büsche den sumpfigen Boden bedeckten. „Tundra“ nannte man eine solche Landschaft, das hatte Gylfie irgendwo gelesen. Ein Stück unter dem Bewuchs war der Boden dauerhaft gefroren, aber im Sommer taute die oberste Erdschicht auf, sodass man sogar Beeren ernten konnte.
    Nachts hörte Gylfie Wölfe heule n – ziemlich beunruhigend, wenn man an den Boden gefesselt war und nicht wegfliegen konnte. Immerhin konnte sie von ihrer Zelle aus in die Hauptnester des Piratenverstecks spähen. Was sie dort beobachtete, fand sie äußerst spannend. Die Piraten erfanden nicht nur ausgeklügelte Methoden, ihre Gefangenen zu transportieren, sie waren auch schrecklich eitel. Sie polierten Stücke von Issen vintygg , das hieß übersetzt so viel wie „Dunkeleis“, auf Hochglanz und verbrachten viele Stunden damit, ihre Federn bunt zu färben und zu bemalen und sich anschließend in den Eisspiegeln zu bewundern. Die Farben stellten sie aus Beeren und Gräsern her, die sie im Sommer in der Tundra sammelten.
    Gylfie hatte selbst schon erlebt, wie verführerisch Spiegel sein konnten und dass Eitelkeit eine gefährliche Schwäche war. Auf ihrer Wanderung zum Großen Ga’Hoole-Baum hatten Gylfie, Soren, Morgengrau und Digger an den Spiegelseen in den Schnabelbergen gerastet. Sie waren so verzaubert von ihren Abbildern auf dem Wasser gewesen, dass sie alles andere vergessen hatten. Die Eitelkeit hatte sie derart in ihren Bann geschlagen, dass sie gar nicht mehr weiterfliegen wollten. Hätte Sorens ehemalige Nesthälterin Mr s Plithiver sie nicht ausgeschimpft und aufgerüttel t – nicht auszudenken, was aus ihnen geworden wäre!
    Gylfie fiel ein Absatz aus einem Buch von Violet Krummzehe ein: Eitelkeit ist der Fluch der Pfauen. Diese nahezu flugunfähigen Vögel sind damit zufrieden, sich von anderen erdgebundenen Geschöpfen bewundern zu lassen. Ihre abstoßende Prahlsucht wird nur noch von ihrer unfassbaren Dummheit übertroffen. In dem Buch gab es noch eine andere wichtige Stelle, aber Gylfie konnte sich in diesem Moment absolut nicht daran erinnern.
    Sie schaute sich verstohlen um. Ihre beiden Bewacher führten einander ihr frisch gefärbtes

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