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Die Legende der Wächter – Der Zauber

Die Legende der Wächter – Der Zauber

Titel: Die Legende der Wächter – Der Zauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Lasky
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alle Eulen, alle Vögel, alle Tiere. Führ dich nicht auf, als wärst du magenschwach und mondwirr!
    Sie fuhr fort, sich selbst auszuschelten. Sie durfte jetzt nicht schlappmachen. Sie hatte schon Schlachten überstanden, Orkane und Waldbrände. Da würde sie ja wohl durch einen Tunnel fliegen können!
    Das einzige andere Mitglied der Bande, das diese Aufgabe hätte übernehmen können, wäre Digger gewesen. Der Höhlenkauz war zwar kein besonders guter Navigator, aber unter der Erde kannte er sich aus wie niemand sonst. Er wusste nicht nur alles über unterirdische Höhlen und Gänge, sondern auch über deren Bewohner, jene sonderbaren Tiere, die das Tageslicht scheuten. Aber er war von seinem Körperbau her einfach zu groß und zu breit.
    Er hatte Gylfie einiges über die Entstehungsgeschichte und die Beschaffenheit von Höhlen und unterirdischen Gängen erzählt. Doch die Zeit hatte gedrängt. Der Mond wurde von Nacht zu Nacht runder. Wenn er voll war, fand die Verwandlung der Vyrwölfe statt. Doch schon bevor ihnen die Wölfe davon erzählt hatten, war Coryn unruhig gewesen, weil eine Mondfinsternis bevorstand. „Wisst ihr überhaupt, was es mit einer Mondfinsternis auf sich hat?“, hatte er seine Gefährten mit bebender Stimme gefragt.
    Die fünf Eulen konnten ja nicht ahnen, dass im gleichen Augenblick Coryns Mutter Nyra ihrem Offizier Stürmer fast dieselbe Frage stellte.
    Während Gylfie durch den Tunnel flog, war sie nicht nur mit Navigieren beschäftigt, sondern sie rief sich auch immer wieder ins Gedächtnis, was ihr Digger über diesen ganz besonderen Tunnel erzählt hatte. Die Geschichten, die sich um ihn rankten, kamen nicht von ungefähr. Er war einfach ein unheimlicher Ort, was an seiner natürlichen Entstehungsgeschichte lag.
    Von dem Tunnel gingen zahllose Höhlen unterschiedlichster Größe ab. Seine Decke wies Tausende Löcher, Risse und Spalten auf, durch die Regenwasser hereinsickerte. Beim Herabfließen löste das Wasser den Felsen auf und brachte die seltsamen Steingebilde hervor. Wenn es sich schließlich am Boden zu kleinen Seen sammelte, fing es zu brodeln an. Das kam aber nicht daher, dass sich das Wasser erhitzte, sondern es bildeten sich Gase darin.
    Jene Höhlen und Seen, die am dichtesten unter der Erdoberfläche lagen, waren zugleich die ältesten. Das stetig herabrinnende Wasser bahnte sich seinen Weg in die Tiefe und erzeugte immer neue Gänge.
    In den ältesten Höhlen mit ihren blubbernden Seen lebten fremdartige Geschöpfe. Augenlose Fische und Krabben, blinde Albinokrebse und verschiedene Spinnenarten. Auch aus oberirdischen Flüssen hatten allerhand Aale und Welse den Weg in den Tunnel der Verzweiflung gefunden. Schließlich gab es noch sogenannte„trogloxene“ Bewohner, die eigentlich andere Lebensräume bevorzugten. Sie waren eher zufällig hierher geraten: Grillen, Fledermäuse, Ratten, Fluginsekten – und ich , dachte Gylfie.
    Nicht alles jedoch, was sich hier unten abspielte, ließ sich mit natürlichen Ursachen erklären. Das Wasser mancher Seen besaß Zauberkräfte. Trank ein Wolf davon – aber nicht irgendein Wolf, sondern einer, der schon die Veranlagung zur Bösartigkeit in sich trug –, so verwandelte er sich in ein Untier, das vor den schlimmsten Grausamkeiten nicht zurückschreckte. In Vollmondnächten konnte ein solcher Wolf dann zum Vyrwolf werden.
    Gylfie sollte in dem Labyrinth nach diesen Wölfen Ausschau halten beziehungsweise jene Seen ausfindig machen, deren Wasser zauberkräftig war. Außerdem sollte sie feststellen, wo der Tunnel endete.
    Nyra hatte sich seinerzeit mit Dunleavy Betmore MacHeath zusammengetan, um in den Besitz der Glut zu gelangen. Wenn sie sich jetzt Verstärkung bei den Vyrwölfen holte, waren die Folgen unabsehbar. Angesichts des kommenden Vollmonds und der bevorstehenden Mondfinsternis war es, als hätten sich die Gestirne selbst zu einem Verderben bringenden Bündnis zusammengeschlossen. Sie kündigten einen Todestanz an.
    Gylfie konnte nicht mehr sagen, wie lange sie schon durch die gewundenen Gänge flog. Auf jeden Fall hatte sie mehrere Flugstunden zurückgelegt. Bis jetzt hatte sie nur wenige kurze Pausen gemacht. Sie erspähte eine einladende Felsnische. Dort konnte sie sich eine Weile ausruhen.
    Hier unten wehte natürlich kein Wind. Gylfie war noch nie so abgeschnitten von allem gewesen, was ein Eulenleben ausmacht: von den Luftströmen, die vom sonnenwarmen Erdboden aufstiegen, von der Kühle der Nacht, vom Mond mit

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