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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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den Entfremdeten erhaltenen Wunden zeigen, ohne ihm meinen Wolf zu verraten.
    Veritas seufzte. »Nun gut. Halte die Wunde sauber; ich nehme an, du kennst dich damit aus. Wenn du das nächstemal die Burg verläßt, sei klüger und rüste dich. Geh niemals unbewaffnet. Es wird nicht immer ein Helfer zur Stelle sein, der dich vor dem Schlimmsten bewahrt.«
    Ich tastete mit dem Fuß nach der nächsten Stufe, dann blieb ich stehen und krampfte die Hand um das an der Wand mitlaufende Tau. »Veritas«, er war weitergegangen, »wieviel wißt Ihr? Über – diese Sache?«
    »Weniger als du«, antwortete er jovial. »Aber mehr, als du glaubst.«
    »Ihr redet wie der Narr«, sagte ich bitter.
    »Ja. Manchmal. Er ist auch jemand, der weiß, was Einsamkeit ist und wozu sie einen Menschen treiben kann.« Er holte Luft, und fast rechnete ich damit, daß er sagte, er wisse, was ich sei, und verurteilte mich nicht darum, doch er fuhr fort: »Ich glaube, der Narr hatte eine Unterredung mit dir, vor ein paar Tagen.«
    Ich folgte ihm stumm und fragte mich, wie er so genau über so viele Dinge Bescheid wissen konnte. Die Gabe, natürlich.
    Als wir in sein Arbeitszimmer traten, erwartete Charim uns bereits. Wie immer. Essen stand auf dem Tisch und gewärmter Würzwein, und Veritas machte sich mit gesundem Appetit darüber her. Ich hatte nicht viel Hunger, aber ich saß ihm gegenüber und schaute mit Vergnügen zu, wie er diese einfache, herzhafte Mahlzeit genoß. In dieser Hinsicht war er immer noch ein Soldat, dachte ich. Er hatte gelernt, die kleinen Freuden zu schätzen, solange sie verfügbar waren, sich zum Beispiel zu einem guten Essen auf einen bequemen Stuhl an einen ansprechend gedeckten Tisch zu setzen. Es war eine große Genugtuung, ihn so voller Lebenskraft zu sehen. Ich dachte mit Unbehagen an den Sommer, wenn er jeden Tag von der Gabe Gebrauch machen mußte, um nach Piraten vor unserer Küste auszuspähen und sie mittels der Kraft seiner Gedanken irrezuleiten, während er unseren Leuten eine rechtzeitige Warnung zukommen ließ. Mir stand Veritas vor Augen, wie er im vergangenen Jahr zur Erntezeit gewesen war – abgemagert, das Gesicht von scharfen Falten durchzogen, und nur die Stimulanzien, die Chade in seinen Tee mischte, hielten ihn aufrecht. Sein Leben hatte sich auf die Stunden reduziert, die er mit der Gabe arbeitete. Auch in diesem Sommer würde der Hunger nach der Gabe jeden anderen Hunger verdrängen, und ob Kettricken sich damit abfinden konnte?
    Nach dem Essen setzten Veritas und ich uns über die Karten. Das Schema war nicht länger zu leugnen. Ungeachtet aller Hindernisse, Wald oder Fluß oder Schneewüste, die Entfremdeten bewegten sich auf Bocksburg zu. Für mich ein Rätsel. Diejenigen, mit denen ich zu tun gehabt hatte, waren mir im höchsten Maße stumpfsinnig vorgekommen. Schwer zu glauben, daß einer von ihnen den Einfall haben könnte, sich über Stock und Stein auf den Weg zu machen, nur um nach Bocksburg zu gelangen. »Aber diese Meldungen, die Ihr gesammelt habt, lassen keinen anderen Schluß zu. Sämtliche Entfremdeten, die Ihr identifizieren konntet, marschieren auf Bocksburg.«
    »Du hast Schwierigkeiten, es als einen überlegten Plan zu sehen?«
    »Ich begreife nicht, wie sie überhaupt einen Plan haben könnten. Wie haben sie sich untereinander verständigt? Und es scheint kein gemeinsames Unternehmen zu sein. Es ist nicht so, daß sie sich sammeln und in größeren Gruppen weiterwandern, sondern aus irgendeinem unerfindlichen Grund verspürt jeder einzelne den Drang, sich in diese Richtung zu bewegen, und zufällig schließen manche sich zusammen.«
    »Wie Motten, die vom Licht angezogen werden«, bemerkte Veritas.
    »Oder Fliegen vom Aas«, meinte ich prosaisch.
    »Die einen fasziniert, die anderen gierig auf Nahrung«, sinnierte Veritas. »Ich wüßte gerne, was von beidem die Entfremdeten zu mir treibt. Vielleicht ist es auch etwas ganz anderes.«
    »Glaubt Ihr denn, sie kommen Euretwegen?«
    »Ich weiß es nicht. Doch wenn ich den Grund herausfinden kann, hilft es mir vielleicht, den Feind zu verstehen. Ich halte es nicht für Zufall, daß sämtliche Entfremdeten auf dem Weg nach Bocksburg sind. Ich glaube, sie ziehen gegen mich, Fitz. Vielleicht nicht aus eigenem Antrieb, aber es ist trotzdem eine Aktion gegen mich. Ich muß herausfinden, was dahintersteckt.«
    »Um sie zu verstehen, müßt Ihr werden wie sie.«
    »Nanu.« Er sah nicht belustigt aus. »Wer hört sich jetzt an wie der

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