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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Schwert.«
    »Und jetzt erinnere ich dich, daß es Mittwinter ist. Es bleiben nicht mehr viele Monate bis zum Frühling. Ich habe dir gesagt, es ist eine Möglichkeit, mehr nicht. Und ich kann dir nur sehr wenig Unterstützung angedeihen lassen, falls du dich darauf einlassen willst. Ich fürchte, es liegt einzig und allein bei dir, FitzChivalric. Kannst du bis zum Frühling lernen, sowohl deine Gabe als auch deine Klinge verläßlich zu beherrschen?«
    »Ich kann nichts versprechen, Hoheit, aber ich werde mich nach Kräften bemühen.«
    »Gut.« Veritas sah mich lange an. »Bist du bereit, schon heute damit anzufangen?«
    »Heute? Heute muß ich auf die Jagd. Dieser Pflicht kann ich mich nicht entziehen, auch nicht um der Vorbereitung auf ein neues Leben willen.«
    »Beides schließt sich nicht unbedingt aus. Laß mich heute mit dir kommen.«
    Ich sah ihn verwundert an, dann nickte ich. Statt aufzustehen, um warme Kleidung anzulegen und sein Schwert zu holen, umfaßte er mein Handgelenk.
    Als ich spürte, wie sein Wesen in mich einströmte, bestand meine instinktive Reaktion darin, mich gegen ihn zu sperren. Dies war nicht wie die anderen Male, als er meine Gedanken überflog, wie man beiläufig verstreute Schriftstücke auf einem Schreibtisch durchblättert. Diesmal war es eine rigorose Okkupation meines Verstandes. Seit Galen hatte sich niemand mehr auf diese Weise meiner bemächtigt. Ich versuchte, mich von ihm loszureißen, aber sein Griff war aus Eisen. Plötzlich ein Innehalten. Du mußt mir vertrauen. Bist du dazu bereit? Ich schwitzte und floh am ganzen Leib wie ein Pferd, in dessen Verschlag sich eine Schlange befand.
    Ich weiß nicht.
    Denk darüber nach. Er zog sich ein wenig zurück.
    Ich konnte ihn immer noch spüren, abwartend, doch ich wußte, er würde mich nicht belauschen. Meine Gedanken überschlugen sich. Zu vieles mußte gegeneinander abgewogen werden. Es war eine Chance, einen Schlußstrich unter mein bisheriges Leben zu ziehen. Aus meinen Geheimnissen alte Geheimnisse zu machen und Molly das Vertrauen zu schenken, das sie verdiente. Aber wie konnte ich Veritas erlauben, in mein Bewußtsein einzudringen, und gleichzeitig verhindern, daß er von dem Wolf erfuhr und daß wir Brüder waren? Ich spürte zu Nachtauge hin. Unser Bund ist ein Geheimnis. Um es zu wahren, muß ich heute allein jagen. Verstehst du das?
    Nein. Es ist dumm und gefährlich. Ich werde bei euch sein, aber du kannst dich darauf verlassen, daß ich unsichtbar und nicht zu entdecken bin.
    »Was hast du getan?« Sein Ton war nicht barsch. Veritas fragte, wie ich vielleicht ein kleines Kind, das ich dabei ertappte, wie es an der Holzvertäfelung herumschnitzte. Ich fühlte mich zu keiner Antwort imstande. Wie gerne hätte ich mir alles von der Seele geredet, damit es einen gab, der mich kannte, der wußte, wer und was ich war.
    Ich weiß es, meldete sich Nachtauge.
    Er hatte recht. Und ich durfte ihn nicht gefährden. »Auch Ihr müßt Vertrauen haben«, sagte ich zu meinem König-zur-Rechten. Und als er abwägend zu mir aufsah, fügte ich hinzu: »Seid Ihr dazu bereit?«
    »Ja.«
    Mit einem Wort lieferte er sich mir aus, auf Gedeih und Verderb; bekundete er die feste Überzeugung, daß, was immer ich getan hatte, ihm nicht zum Schaden gereichen würde. Auf den ersten Blick mag man nichts Besonderes darin sehen, aber daß ein König-zur-Rechten seinem eigenen Assassinen gestattete, Geheimnisse vor ihm zu haben, war ein unerhörter Vertrauensbeweis. Vor Jahren hatte sein Vater sich meine Loyalität erkauft um den Preis des Versprechens, mich zu speisen, zu kleiden, zu behausen und zu erziehen, und einer silbernen Anstecknadel an meinem Hemd. Veritas’ spontane Geste bedeutete mir plötzlich mehr als all das zusammen. Die Liebe, die ich immer für ihn empfunden hatte, spülte alle Bedenken hinweg. Wie konnte ich kein Vertrauen zu ihm haben?
    Er lächelte scheu. »Du verstehst dich darauf, von der Gabe Gebrauch zu machen, wenn du es willst.« Ohne eine weitere Vorankündigung drang er wieder in mein Bewußtsein ein. Solange seine Hand auf meinem Arm lag, erfolgte die Vereinigung der Gedanken ganz mühelos, Ich fühlte seine Neugier und das leichte Erschrecken, als er durch meine Augen sein Gesicht betrachtete. Ein Spiegel ist gnädiger. Ich bin gealtert.
    In Anbetracht der Umstände wäre es sinnlos gewesen, widersprechen zu wollen. Es war ein notwendiges Opfer, stimmte ich zu.
    Er ließ mich los. Einen Moment lang überschnitten

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