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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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Zeiten der Ruhe und Dingen mit glücklichem Ausgang. Gesalzener Fisch und Geräuchertes kommen auf den Tisch, eingelagerte Wurzeln und Früchte des vergangenen Sommers. Dann, am Mitteltag des Festes, gibt es eine Jagd. Neues Blut wird vergossen, um den Wendepunkt des Jahres zu feiern, und frisches Fleisch wird aufgetragen, dazu Getreide der letzten Ernte. Die folgenden drei Tage gelten der Erwartung des nächsten Sommers. Die Webstühle werden mit bunteren Garnen bespannt, und ein Ende der großen Halle gehört den Webern, die untereinander um die heitersten Muster und die leichtesten Stoffe wetteifern. Die Geschichten handeln von den Anfängen der Dinge und davon, wie die Welt erschaffen wurde.
     
    Am Nachmittag versuchte ich, bei König Listenreich vorgelassen zu werden. Trotz allem, was geschehen war, hatte ich das mir selbst gegebene Versprechen nicht vergessen. Wallace wies mich ab, angeblich fühlten Seine Majestät sich nicht wohl und wollten nicht gestört werden. Ich hatte nicht übel Lust, mit den Fäusten an die Tür zu hämmern und nach dem Narren zu rufen, er solle Wallace dazu bringen, mich einzulassen, aber ich tat es nicht. Ich war mir der Freundschaft des Narren nicht mehr so sicher wie früher. Seit unserer letzten unerfreulichen Begegnung waren wir uns nicht mehr über den Weg gelaufen. Der Gedanke an ihn erinnerte mich an seine Spottverse und ihren ernsten Hintergrund, und in meinem Zimmer befaßte ich mich wieder mit Veritas’ Schriften.
    Das Lesen machte mich schläfrig. Selbst der verdünnte Baldriantee war noch stark gewesen und entfaltete jetzt seine Wirkung. Lethargie bemächtigte sich meines Körpers. Ich schob die Pergamentrollen zur Seite und dachte über andere Möglichkeiten nach, Gabenkundige ausfindig zu machen. Vielleicht eine öffentliche Verlautbarung während des Winterfestes, alle nach der Gabe Geschulten würden gesucht und seien sie auch alt und schwach? Oder bedeutete das Lebensgefahr für diejenigen, die sich meldeten? Ich dachte an die offensichtlichen Kandidaten, meine Altersgenossen, die mit mir zusammen ausgebildet worden waren. Keiner von ihnen hegte irgendwelche Sympathien für meine Person, aber deshalb konnten sie doch dem König-zur-Rechten treu ergeben sein. Angekränkelt vielleicht von Galens Ansichten, aber ließ sich das nicht kurieren? August kam nicht in Betracht. Bei dem Vorfall in Jhaampe – Edels fehlgeschlagenen Mordversuch an seinem Bruder Veritas – war die Gabe aus seinem Hirn gebrannt worden. Er hatte sich unauffällig auf eine Besitzung am Vinfluß zurückgezogen, vor der Zeit gealtert, hieß es. Doch wir waren unser acht gewesen, die die Ausbildung überstanden hatten. Sieben waren von der Prüfung zurückgekehrt. Ich hatte nicht bestanden, August war aus dem Rennen. Blieben fünf.
    Eine kleine Kordiale. Ob sie mich alle mit der gleichen Hingabe verabscheuten wie Serene? Sie ließ mich nicht im unklaren darüber, daß ich in ihren Augen schuld war an Galens Tod. Waren die anderen ebenso gut informiert? Ich versuchte sie mir einen nach dem anderen ins Gedächtnis zu rufen. Justin. Sehr von sich eingenommen und zu stolz auf seine Gabe. Carrod. Früher ein schläfriger, liebenswerter Bursche. Die wenigen Male, die ich ihn seit seiner Aufnahme in die Kordiale gesehen hatte, waren mir seine Augen seltsam leer erschienen. Als wäre nichts von seinem ursprünglichen Selbst mehr übrig. Burl hatte seine Muskeln verfetten lassen, seit er mit dem Kopf arbeitete und nicht mehr als Zimmermann sein Brot verdiente. Will war immer unbemerkenswert gewesen und hatte durch die Gabe nicht an Profil gewonnen. Trotzdem, sie verfügten alle bewiesenermaßen über die Fähigkeit, als Kordiale zu wirken. Konnte Veritas sie für sich einschwören? Vielleicht. Aber wann? Wann hatte er Zeit für ein derartiges Unterfangen?
    Jemand kommt.
    Ich schrak hoch, bäuchlings auf dem Bett liegend, inmitten der verstreuten Schriftrollen. Hätte Nachtauge nicht mit Hilfe meiner eigenen Sinne über mich gewacht, wäre ich vollkommen ahnungslos gewesen. Ich beobachtete, wie die Tür sich langsam öffnete. Das Feuer war niedergebrannt, nur die wabernde Glut erhellte das Zimmer. Da ich nicht vorgehabt hatte einzuschlafen, hatte ich den Riegel nicht vorgeschoben. Ich verhielt mich mucksmäuschenstill und fragte mich, wer der ungebetene Besucher sein mochte, der mich zu überrumpeln hoffte. Oder war es jemand, der glaubte, das Zimmer verlassen zu finden, der es auf die Schriftrollen

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