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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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daß du bleibst.«
    »Laß dich nicht auf Wortgefechte mit einem Narren ein. Aber hast du vergessen? Ich habe dir einen Tauschhandel angeboten. Ein Geheimnis gegen ein Geheimnis.«
    Ich hatte es nicht vergessen, aber plötzlich war ich nicht mehr so sicher, ob ich es wirklich wissen wollte. »Woher kommt der Narr und warum?« fragte ich leise.
    »Ah.« Er wartete einen Moment, dann fragte er ernst: »Bist du sicher, daß du die Antworten auf diese Fragen hören willst?«
    »Woher kommt der Narr und warum?« wiederholte ich.
    Er ließ sich Zeit mit der Erwiderung. Während ich ihn wartend anschaute, sah ich ihn zum erstenmal seit langem nicht als den Narren, scharfzüngig und mit treffendem Witz, sondern als kleines, schmales Geschöpf, zerbrechlich, bleiches Fleisch und Vogelknochen. Selbst sein Haar schien weniger Substanz zu haben als das von anderen Sterblichen. Sein mit silbernen Schellen besetztes schwarzweißes Narrengewand und sein albernes Rattenzepter waren alles, was ihm zu Gebote stand, um sich an diesem Hof der Intrigen und des Verrats zu behaupten. Und sein Geheimnis. Der unsichtbare Schutzmantel seines Geheimnisses. Einen Augenblick lang wünschte ich mir, er hätte den Tausch nicht angeboten oder daß meine Neugier weniger verzehrend gewesen wäre.
    Er seufzte, ließ den Blick durchs Zimmer schweifen und stellte sich dann vor den Wandteppich, auf dem König Weise einen der Uralten begrüßte. Offenbar entdeckte er in der dargestellten Szene eine Ironie, die sich mir in all den Jahren nicht erschlossen hatte, denn ein unfrohes Lächeln flog über sein Gesicht. Vor der Kulisse des Wandbehangs nahm er mir zugewandt die Pose eines Dichters ein, der sich anschickt, aus seinen Werken zu rezitieren, doch erst sah er mich noch einmal forschend an. »Du bist sicher, daß du es wissen willst, Firlefitz?«
    Als wäre es eine Beschwörungsformel, wiederholte ich die Frage: »Woher kommt der Narr und warum?«
    »Woher? Ja, woher?« Nase an Nase ging er mit Rätzel zu Rate und formulierte in Gedanken die Antwort auf seine eigene Frage. »Geh südwärts, Fitz. Zu Ländern jenseits der Ränder aller Karten, die Veritas jemals gesehen hat. Und dann über die Ränder der Karten hinaus, die in jenen Ländern gezeichnet werden. Geh südwärts und dann Richtung Osten, über ein Meer, dessen Namen du nicht kennst. Endlich gelangst du zu einer langgestreckten Halbinsel, und an ihrer eingebogenen Spitze könntest du das Dorf finden, in dem ein Narr geboren wurde. Du fändest vielleicht sogar eine Mutter, die sich an ihren wurmweißen Säugling erinnert und wie sie ihn an ihrer warmen Brust wiegte und sang.« Er bemerkte meinen ungläubigen, faszinierten Gesichtsausdruck und lachte kurz auf. »Du kannst es dir nicht vorstellen, oder? Ich will es dir noch schwerer machen. Ihr Haar war lang und dunkel und lockig, und ihre Augen waren grün. Phantastisch, nicht wahr? Aus solchen reichen Farben ging diese Bleichheit hervor. Und die Väter des farblosen Kindes? Zwei Vettern, denn das war der Brauch in jenem Land. Einer untersetzt und dunkel und voller Lachen, mit roten Lippen und braunen Augen, ein Bauer, der nach satter Erde und frischer Luft roch. Der andere schmal und golden, ein Dichter und Sänger, blau seine Augen. Und oh, wie sie mich liebten und ihre Freude an mir hatten! Diese drei und das ganze Dorf obendrein. Ich wurde so geliebt.« Seine Stimme war immer leiser geworden, bis er verstummte. Ich wußte mit absoluter Sicherheit, daß ich hörte, was noch keiner vor mir aus seinem Mund vernommen hatte. In seinem Zimmer, die zierliche kleine Puppe in ihrer Wiege, die ich dort gefunden hatte… Geliebt, behütet, wie der Narr einst geliebt und behütet worden war. Ich wartete.
    »Sobald ich – alt genug war, sagte ich ihnen allen Lebwohl. Ich zog aus, um meinen Platz in der Geschichte zu finden und zu wählen, wo ich ihren Lauf verändern wollte. Dies war der Ort, für den ich mich entschied, die Zeit war mir bestimmt durch die Stunde meiner Geburt. Ich kam her und wurde des Königs Narr. Ich nahm die Fäden auf, die das Schicksal mir in die Hände legte, und begann sie nach meinem Vermögen zu verknüpfen und zu färben, in der Hoffnung, das zu beeinflussen, was nach mir gewoben wird.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich verstehe kein Wort von dem, was du eben gesagt hast.«
    »Ah!« Er schüttelte den Kopf. »Ich habe angeboten, dir mein Geheimnis zu enthüllen. Ich habe nicht versprochen, dafür zu sorgen, daß du es

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