Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
oben tragen soll?«
    »Das war ein Vorwand, um dich aus der Halle zu locken, bevor du Zeit hattest, dich gänzlich unmöglich zu machen!« zischte sie mich an. »Was ist mit dir? Wie konntest du dich so unschicklich benehmen? Bist du betrunken?«
    Ich dachte über die Frage nach. »Nachtauge sagt, ich hätte schlechten Fisch gegessen. Aber ich fühle mich gut.«
    Lacey und Philia musterten mich kritisch, dann nahmen sie mich links und rechts am Arm und führten mich die Treppe hinauf. Philia machte Tee. Ich plauderte mit Lacey. Ich erzählte ihr, wie sehr ich Molly liebte und daß ich sie heiraten würde, sobald König Listenreich seine Zustimmung gab. Sie tätschelte meine Hand und befühlte meine Stirn und fragte, was ich heute gegessen hatte und wo. Ich konnte mich nicht erinnern. Philia gab mir Tee. Bald danach mußte ich mich erbrechen. Lacey flößte mir kaltes Wasser ein. Philia brachte mir noch einen Becher Tee. Ich übergab mich wieder. Ich sagte, ich wollte keinen Tee mehr. Philia und Lacey stritten. Lacey sagte, ihrer Meinung nach brauchte ich jetzt nur etwas Schlaf. Sie brachte mich in mein Zimmer zurück.
     
    Beim Erwachen hatte ich keine klare Vorstellung davon, was Traum gewesen war und was Wirklichkeit. Die Ereignisse des Abends, soweit ich mich an sie erinnern konnte, erschienen mir so fern, als lägen sie Jahre zurück. Verstärkt wurde dieser Eindruck vom hellen Rechteck der offenen Geheimtür und dem Luftzug aus dem Treppenschacht, der kalt ins Zimmer wehte. Ich kroch aus dem Bett, blieb einen Moment schwankend stehen, bis ich das Schwindelgefühl überwunden hatte, und stieg dann schwerfällig die Treppe hinauf, eine Hand immer an der klammen Steinmauer, um mich zu vergewissern, daß ich nicht wieder in einem Traum befangen war. Auf halbem Weg kam Chade mir entgegen. »Hier, nimm meinen Arm«, befahl er, und ich gehorchte. Gemeinsam stiegen wir die letzten Stufen hinauf. »Ich habe dich vermißt«, sagte ich zu ihm und fügte mit dem nächsten Atemzug hinzu: »König Listenreich ist in Gefahr.«
    »Ich weiß. König Listenreich ist stets in Gefahr.«
    Wir traten in sein Gemach. Ein Feuer brannte im Kamin. Daneben war auf einem Tablett eine Mahlzeit angerichtet. Dorthin bugsierte er mich.
    »Ich glaube, ich bin heute vergiftet worden.« Ein krampfartiges Frösteln schüttelte mich. Als es vorbei war, kam es mir vor, als hätte sich ein Teil der Nebelschleier in meinem Kopf aufgelöst. »Ich scheine in Etappen wieder zur Besinnung zu kommen. Ich denke, ich bin wach, und dann ist plötzlich alles klarer.«
    Chade nickte ernst. »Ich vermute, es war die Asche. Du bist unvorsichtig gewesen, als du in König Listenreichs Gemach Ordnung geschaffen hast. Oft ist in den verbrannten Überresten eines Krauts der Wirkstoff in konzentrierter Form enthalten. An deinen Händen klebte Asche, und wenig später hast du damit Kuchen gegessen. Was sollte ich tun? Ich dachte, du würdest den Rausch ausschlafen. Was ist dir eingefallen, nach unten zu gehen?«
    »Ich weiß nicht.« Aus irgendeinem Grund wurde ich plötzlich ärgerlich. »Wie kommt es, daß du immer so gut über alles unterrichtet bist?« fragte ich mürrisch, als er mich in seinen alten Sessel drückte. Er setzte sich auf meinen gewohnten Platz am Kamin. Selbst in meinem benommenen Zustand fiel mir auf, wie geschmeidig er sich bewegte, als hätte er die Schmerzen und Gebrechen eines alten Mannes irgendwo zurückgelassen. Der Aufenthalt im Freien hatte seinem Gesicht die ungesunde Blässe genommen, und unter der leichten Bräune waren die Narben nicht mehr so deutlich zu sehen. Früher schon war mir seine Ähnlichkeit mit Listenreich aufgefallen, jetzt entdeckte ich auch Veritas in seinen Zügen.
    »Ich habe meine Mittel und Wege.« Er bedachte mich mit einem wölfischen Grinsen. »An wieviel erinnerst du dich noch von gestern abend?«
    Mein Magen krampfte sich zusammen, als ich darüber nachdachte. »Es reicht, um zu wissen, daß heute ein schwieriger Tag sein wird.« Die kleine Dienstmagd tauchte aus meinem Gedächtnis auf. An meine Schulter gelehnt, die Hand auf meinem Schenkel. Molly. Ich mußte unbedingt noch in dieser Nacht zu Molly gehen und ihr alles erklären. Wenn sie an meine Tür kam, und ich war nicht da, um auf ihr Klopfen zu öffnen… Ich wollte mich hochstemmen, aber da überlief mich wieder ein Schauder. Es fühlte sich fast an, als würde mir die Haut abgezogen.
    »Hier, iß etwas. Dir ein Brechmittel zu verabreichen war nicht der

Weitere Kostenlose Bücher