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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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mir das Haar aus der Stirn. Ich erwachte aus einem dunklen Traum in einer dunkleren, in einer winterlichen Waldlandschaft. Ich fror. Unter mir stapfte Rußflocke unbeirrt durch die Schneeverwehungen. Ein Gefühl sagte mir, daß wir schon lange unterwegs waren. Flink, der Stallbursche, ritt vor mir. Er drehte sich um und rief etwas.
    Rußflocke blieb stehen, nicht ruckartig, aber ich rechnete nicht damit und wäre fast aus dem Sattel gerutscht. Ich hielt mich an ihrer Mähne fest. Stetig fallende Flocken verhüllten den Wald um uns. Die Fichten waren dick verschneit, während die vereinzelten Birken wie nackte schwarze Gerippe im wolkentrüben Wintermondlicht standen. Es gab keine Spur von einem gebahnten Weg, von allen Seiten drängte der Wald heran. Flink vor uns hatte seinen schwarzen Wallach gezügelt, und deshalb war Rußflocke stehengeblieben. Hinter mir saß Burrich mit der Leichtigkeit des erfahrenen Reiters auf seinem Braunen.
    Ich zitterte vor Kälte und Schwäche und fragte mich, was der Grund für den Aufenthalt sein mochte. Der böige Wind peitschte meinen feuchten Umhang gegen Rußflockes Flanke. Flink wies mit der ausgestreckten Hand nach vorn. »Dort!« Wieder schaute er zu mir zurück. »Hast du gesehen?«
    Ich beugte mich vor und versuchte durch den flatternden Spitzenschleier der Flocken etwas zu erkennen. »Ich glaube.« Einen Augenblick lang hatte ich in der Ferne winzige Lichtpunkte erspäht, gelb und still, anders als die blassen Irrlichter, die mir immer noch gelegentlich vor den Augen tanzten.
    »Meinst du, das ist Bocksburg?« Der Wind riß Flink die Worte vom Mund.
    »Es ist Bocksburg«, bestätigte Burrich. Seine tiefe Stimme trug mühelos bis zu uns hin. »Ich weiß jetzt, wo wir sind. Dies ist die Stelle, wo Prinz Veritas vor sechs Jahren die große Ricke erlegt hat. Die Sache ist mir im Gedächtnis geblieben, weil sie mitten im Sprung von seinem Pfeil getroffen wurde und in die kleine Schlucht fiel. Wir hatten den Rest des Tages damit zu tun, hinunter zu klettern, sie aufzubrechen, zu zerwirken und anschließend das Fleisch nach oben zu schaffen.« Die Schlucht, auf die er zeigte, verriet sich hinter dem Schneevorhang nur durch einen langen Streifen Buschwerk, doch plötzlich erkannte ich alles wieder. Die Linie dieser Hügelkuppe, der Baumbestand, dort die Schlucht, und Bocksburg lag demnach in dieser Richtung, nur noch wenige Meilen, bis wir deutlich die Festung auf den Klippen über der Bucht und Burgstadt erkennen konnten. Zum erstenmal seit Tagen wußte ich mit absoluter Sicherheit, wo wir uns befanden. Wegen der dichten Wolkendecke waren keine Sterne zu sehen gewesen, um uns die Orientierung zu erleichtern, und die ungewöhnlich hohe Schneedecke hatte das Aussehen der Landschaft verändert, bis selbst Burrich unsicher zu werden schien. Doch jetzt wußte ich, nur ein kurzer Ritt trennte uns noch von zu Hause. Im Sommer. Doch ich raffte zusammen, was mir von meiner Entschlossenheit geblieben war.
    »Nur ein Katzensprung«, sagte ich zu Burrich.
    Flink hatte sein Pferd bereits wieder angetrieben. Der kräftige kleine Wallach arbeitete sich tapfer voran und brach schräg abwärts, quer zum Hang, die Spur durch den harschen Schnee. Rußflocke folgte ihm, doch schon nach den ersten Schritten rutschte ich im Sattel zur anderen Seite und suchte vergeblich irgendwo Halt. Burrich trieb sein Tier heran, packte mich am Kragen und setzte mich wieder aufrecht hin. »Nur ein Katzensprung«, ermutigte er mich mit meinen eigenen Worten. »Du wirst es schaffen.«
    Ich brachte ein Nicken zustande. Heute hatte er mir seit Einbruch der Dämmerung erst zum zweiten Mal beispringen müssen. Einer meiner besseren Abende. Ich richtete mich auf, straffte energisch die Schultern. Nur ein Katzensprung.
    Die Reise war lang und kräftezehrend gewesen, das Wetter schlecht, und die dauernde Anstrengung hatte nicht dazu beigetragen, meine Genesung zu beschleunigen. Vieles erschien mir rückblickend wie ein böser Traum; quälende Tage im Sattel, fast blind für den Weg; Nächte zwischen Flink und Burrich in unserem kleinen Zelt, zu erschöpft, um Schlaf zu finden. Je näher wir den heimatlichen Gefilden kamen, desto leichter, hatte ich gedacht, würde unsere Reise werden, aber nicht mit Burrichs Vorsicht gerechnet.
    In Turlake waren wir zu Nacht in einer Herberge eingekehrt. Ich nahm an, wir würden am nächsten Tag an Bord eines Flußboots gehen, denn auch wenn Eis die Ufer des Bocksflusses säumte, hielt die

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