Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
Vom Netzwerk:
gelbgeränderte Herbstblätter fielen von den Bäumen auf mich herunter. Vögel dankten mit lautem, frohem Gesang für dieses unerwartete Augenzwinkern des Himmels. Die Sonne gewann an Kraft, überzog die nasse Welt mit Glanz und lockte satten Erdgeruch aus dem Boden. Trotz des Chaos’ in meinem Innern berührte mich die Schönheit des Tages.
    Die Regengüsse hatten Burgstadt sauber gewaschen. Ich geriet auf den Marktplatz und in die Strömungen einer geschäftigen Menschenmenge. Jedermann beeilte sich, seine Einkäufe zu machen und nach Hause zu tragen, bevor die Schonfrist vorüber war und das Wetter sein ungnädiges Antlitz zeigte. Die frohgemute Betriebsamkeit und das heitere Stimmengewirr rieben sich an meiner schlechten Laune, und ich hielt verdrossen Umschau, bis mir ein leuchtendroter Kapuzenumhang ins Auge fiel. Mein Herz tat einen Sprung. Mochte sie sich für den Dienst in der Burg in Gesindeblau kleiden; wenn sie zum Markt ging, trug Molly immer noch ihren alten roten Umhang. Wahrscheinlich hatte Philia ihr aufgetragen, die Wetterbesserung auszunutzen und eine Besorgung zu machen. Von dort, wo ich stand, konnte ich beobachten, wie sie beharrlich um einige Päckchen Früchtetee aus den Chalced-Staaten feilschte. Ich liebte ihr entschlossen vorgerecktes Kinn, als sie über ein Angebot des Händlers den Kopf schüttelte. Plötzlich kam mir ein Einfall, und ich fühlte mich von frischer Tatkraft erfüllt.
    Ich hatte Geld in der Tasche, meine Heuer, mehr als genug für vier süße Äpfel, zwei Rosinenbrötchen, eine Flasche Wein und etwas Pfefferfleisch. Dazu erstand ich einen Zugbeutel, um meine Schätze wegzutragen, sowie eine dicke Wolldecke. Rot. Ich mußte sämtliche Tricks anwenden, die ich von Chade gelernt hatte, um meine Einkäufe zu erledigen und dabei Molly nicht aus den Augen zu verlieren, ohne daß sie mich bemerkte. Noch kniffliger war es, ihr auf den Fersen zu bleiben, als sie zum Posamenter ging, um Seidenband zu kaufen, und anschließend genügend Deckung zu finden, als sie den Weg zur Burg einschlug.
    An einer bestimmten Biegung, im Schutz einer Baumgruppe, holte ich sie ein. Sie stieß einen leisen Schrei aus, als ich unvermutet hinter ihr auftauchte, sie umfaßte und herumschwang. Ich stellte sie auf die Füße und gab ihr einen langen Kuß. Weshalb es so anders war, sie im Freien und im hellen Sonnenlicht zu küssen, kann ich nicht sagen. Ich weiß nur, daß alles Schwere plötzlich von mir abfiel.
    Ich machte eine tiefe Verbeugung. »Geruht meine Herrin, mir bei einer kleinen Vesper Gesellschaft zu leisten?«
    »Oh, das können wir tun«, wehrte sie ab, doch ihre Augen glänzten. »Man wird uns sehen.«
    Ich schaute mich übertrieben suchend nach allen Seiten um, dann umfaßte ich ihren Arm und zog sie von der Straße weg. Wir eilten zwischen den tropfenden Bäumen hindurch; vom Sturm herabgewehte Zweige knackten unter unseren Füßen, nasse Pflanzenbüschel schlugen uns gegen die Beine. Als wir den Rand der Klippe erreichten, über dem Dröhnen und Rauschen des Ozeans, kletterten wir wie Kinder in einer Felsrinne nach unten zu einem kleinen, sandigen Strand.
    Treibholz hatte sich in dieser Bucht angesammelt. Ein Überhang hatte den größten Teil des Regens abgehalten, den wärmenden Sonnenstrahlen jedoch gewährte er Zugang. Molly nahm mir den Proviant und die Decke ab und befahl mir, Holz zu holen, allerdings war sie es schließlich, die das Feuer in Gang brachte. Durch das Salz brannte es mit grüner und blauer Flamme, und es spendete soviel Wärme, daß wir unsere Umhänge ablegen konnten. Es tat gut, ihr unter freiem Himmel gegenüberzusitzen und zu sehen, wie die Sonne Reflexe in ihr Haar zauberte und der Wind ihre Wangen rötete. Es tat gut, laut zu lachen, unsere Stimmen mit dem Geschrei der Möwen zu mischen, ohne die Furcht, jemanden aufzuwecken. Wir tranken den Wein aus der Flasche und aßen mit den Fingern und gingen dann zum Ufer, um uns die klebrigen Hände zu waschen.
    Eine Weile kletterten wir auf den Felsen und zwischen dem Treibholz herum und suchten nach vom Meer angeschwemmten Schätzen. Ich fühlte mich zum erstenmal seit meiner Rückkehr aus den Bergen fast wie mein altes Selbst, und Molly glich wieder dem ungebärdigen Wildfang aus unserer Kinderzeit. Das Haar hatte sich aus den Flechten gelöst und flog um ihr Gesicht. Als sie vor mir weglief, weil ich sie einfangen wollte, rutschte sie aus und stolperte in eine Tidenpfütze. Wir kehrten zu unserem Picknickplatz

Weitere Kostenlose Bücher