Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder
zurück, wo sie die Schuhe und Unterhose auszog, um sie am Feuer zu trocknen, dann legte sie sich auf die Decke und streckte sich.
Kleidungsstücke auszuziehen schien mir plötzlich eine ausgezeichnete Idee zu sein.
Molly war davon nicht so überzeugt. »Der Boden hier besteht aus mindestens ebensoviel Steinen wie Sand. Ich will nicht den ganzen Rücken voller blauer Flecken haben.«
Ich beugte mich über sie, um sie zu küssen. »Bin ich es nicht wert?« fragte ich einschmeichelnd.
»Du? Bestimmt nicht!« Sie gab mir einen Stoß, und ich fiel auf den Rücken. Ehe ich mich besonnen hatte, kniete sie über mir. »Aber ich bin’s!«
Das Funkeln in ihren Augen, als sie auf mich hinunterschaute, benahm mir den Atem. Nachdem sie mich ungestüm ins Ziel geritten hatte, muß ich ihr recht geben, sowohl was die Steine anging, als auch darin, daß sich die blauen Flecken lohnten. Allein den sonnenhellen Himmel durch den Wasserfall ihrer Haare zu sehen…
Anschließend lag sie halb über mir, und wir dösten in der kühlen, linden Luft, bis sie sich aufrichtete und fröstelnd wieder in ihre Kleider schlüpfte. Betrübt sah ich zu, wie sie die Bänder an ihrer Bluse schloß, Dunkelheit und Kerzenschein hatten mir stets zu viel verborgen. Sie bemerkte meinen versonnenen Blick und streckte mir die Zunge heraus, dann schien ihr eine Idee zu kommen. Mein Haar hatte sich aus dem Zopf gelöst. Sie zog es mir um das Gesicht und legte mir eine Falte ihres roten Umhangs quer über die Stirn, dann begutachtete sie mich kritisch. »Du hättest ein ausgesprochen unscheinbares Mädchen abgegeben.«
Ich schnaubte. »Als Mann mache ich auch nicht besonders viel her.«
Sie zog ein beleidigtes Gesicht. »Du bist durchaus ansehnlich.« Ihr Zeigefinger wanderte bedeutungsvoll über meine Brustmuskeln. »Vor kurzem erst, im Wäschehof, ging die Rede davon, du wärst das beste, was seit Burrich aus den Ställen hervorgekommen ist. Ich glaube, es liegt an deinem Haar. Es ist viel seidiger als das von den anderen Männern.« Sie wickelte sich eine Strähne um den Finger.
»Burrich!« sagte ich ungläubig. »Du willst doch nicht behaupten, die Frauen hätten es auf ihn abgesehen.«
Sie hob eine Augenbraue. »Und weshalb nicht? Er ist gut gebaut, hält auf Reinlichkeit und weiß sich zu betragen. Er hat gute Zähne und was für Augen! Seine düsteren Stimmungen können einem angst machen, aber nicht wenige würden sich anheischig machen, ihm das Grillenfangen auszutreiben. Die Waschfrauen meinten alle, sollten sie ihn in ihren Laken entdecken, hätten sie keine Eile, ihn hinauszuschütteln.«
»Aber das ist nicht sehr wahrscheinlich.«
»Nein«, stimmte sie nachdenklich zu. »Auch darin waren alle einer Meinung. Nur eine konnte von sich behaupten, ihn einmal gehabt zu haben, und sie gab zu, er wäre sehr betrunken gewesen. Beim Frühlingsfest soll es gewesen sein.« Molly sah mich an und kicherte über den ungläubigen Ausdruck auf meinem Gesicht. »Sie erzählte, er hätte seine Zeit bei den Hengsten gut genutzt, um zu lernen, wie sie’s machen, und man hätte noch eine Woche lang die Spuren seiner Zähne an ihrer Schulter sehen können.«
»Das kann nicht sein«, protestierte ich. Meine Ohren brannten Burrichs wegen. »Er würde keine Frau mißhandeln, und wenn er noch so betrunken wäre.«
»Dummer Junge!« Molly schüttelte den Kopf, während sie mit flinken Fingern ihr Haar flocht und aufsteckte. »Niemand hat gesagt, daß sie mißhandelt wurde.« Und nach einer kleinen Pause, mit einem koketten Blick: »Oder sonst etwas zu bereuen hatte.«
»Ich glaube es immer noch nicht.« Burrich? Und der Frau hatte es gefallen?
»Hat er wirklich eine kleine Narbe, hier, geformt wie ein Halbmond?« Sie legte mir die Hand auf die Stelle über dem Hüftknochen und sah mich unter halbgesenkten Wimpern hervor an.
Ich machte den Mund auf, klappte ihn wieder zu. »Ich kann nicht fassen, daß ihr Frauen über so etwas redet.«
»Im Wäschehof reden sie von kaum etwas anderem«, klärte Molly mich auf, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt.
Ich wollte nicht fragen, aber die Neugier siegte. »Und was sagen sie über Flink?« Während unserer gemeinsamen Zeit in den Stallungen hatten seine Geschichten über Frauen mich immer in Erstaunen versetzt.
»Daß er schöne Augen und Wimpern hat, aber der ganze Rest von ihm müßte gewaschen werden. Mehrmals.«
Ich feixte, und merkte mir den Urteilsspruch für das nächstemal, wenn er wieder
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