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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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geraume Weile, und als sie antwortete, sprach sie leise, so daß nur ich sie verstehen konnte. »Lieber nicht. Er wird glauben, es wäre wieder eins von meinen Hirngespinsten. Nach ein paar Minuten schaut er zu den Landkarten an der Wand oder schiebt die Dinge auf seinem Schreibtisch hin und her, während er darauf wartet, daß ich zu Ende komme, damit er lächeln kann und nicken und mich gnädig entlassen. Wieder einmal.« Bei den letzten Worten wurde ihr Stimme rauh, sie wandte mir den Rücken zu und schaute wieder über das Meer, so unerreichbar wie Veritas, wenn er von der Gabe Gebrauch machte.
    Sie weint?
    Das wunderte ihn? Es gelang mir nicht, meinen Unmut über seinen Mangel an Einfühlungsvermögen vor ihm zu verbergen.
    Bring sie zu mir. Auf der Stelle!
    »Hoheit?«
    »Einen Moment.« Ich sah sie die Hand heben und wußte, sie wischte sich die Tränen von den Wangen.
    »Kettricken?« Seit Monaten hatte ich diese vertrauliche Anrede nicht mehr benutzt. »Laßt uns mit dieser Sache zu ihm gehen. Sofort. Ich werde Euch begleiten.«
    Sie schaute mich nicht an. »Du hältst meine Überlegungen nicht für dummes Zeug?«
    Du hast dir vorgenommen, nicht mehr zu lügen, ermahnte ich mich. »Ich glaube, wie die Dinge liegen, müssen wir in jeder möglichen Richtung nach Hilfe suchen.« Tatsächlich glaubte ich selbst an meine Worte. Hatten nicht sowohl Chade als auch der Narr bereits mehr oder weniger deutlich für diese Idee plädiert? Vielleicht waren Veritas und ich diejenigen, die das Naheliegende nicht sehen wollten.
    Sie holte tief Atem. »Nun gut. Aber – du mußt vor meinen Gemächern auf mich warten. Ich habe Schriften, die ich ihm zeigen will. Es wird nur einen Moment dauern.« An Philia gewandt, sagte sie: »Lady Philia, darf ich Euch bitten, auch diese Pflanzen zu übernehmen? Ich habe jetzt etwas anderes zu tun.«
    »Selbstverständlich, Hoheit. Sehr gerne.«
    Wir verließen die Dachterrasse, und ich folgte ihr zu ihren Gemächern, wo ich allerdings länger als einen Moment warten mußte. Als sie herauskam, wurde sie von der kleinen Rosemarie begleitet, die darauf bestand, ihr die Schriftrollen zu tragen. Kettricken hatte sich die Erde von den Händen gewaschen. Und die Kleider gewechselt und Parfüm genommen und ihr Haar frisiert und den Schmuck angelegt, den Veritas ihr seinerzeit als Morgengabe hatte überreichen lassen. Sie lächelte unsicher, als ich sie anschaute. »Hoheit, mir fehlen die Worte«, sagte ich.
    »Du bist ein ebenso unverfrorener Schmeichler wie Edel«, schalt sie und ging vor mir den Flur hinunter, doch ich hatte gesehen, wie eine warme Röte in ihre Wangen stieg.
    Soviel Aufwand, nur um mich aufzusuchen und mit mir zu sprechen?
    Soviel Aufwand, um – Euch zu gefallen. Wie konnte ein Mann, der so beschlagen darin war, andere Männer zu verstehen, so wenig Ahnung von Frauen haben.
    Vielleicht hat er nie sonderlich viel Zeit gehabt, etwas über sie zu lernen.
    Ich schob einen Riegel vor meine Gedanken und beeilte mich, die Königin einzuholen. Als wir vor Veritas’ Arbeitszimmer anlangten, kam Charim heraus, beladen mit einem Armvoll Schmutzwäsche. Ich wunderte mich, bis wir eingelassen wurden und mir ein Licht aufging. Veritas trug ein hellblaues Hemd aus weichem Leinenstoff, und in der Luft hing der Duft von Lavendel und Zeder, wie er aus Kleidertruhen aufstieg. Haar und Bart waren eben erst gekämmt worden, ich wußte genau, daß es auf seinem Haupt und um sein Kinn nie länger als ein paar Minuten derart gesittet zuging. Als Kettricken befangen nähertrat, um ihren Gemahl mit einem Knicks zu begrüßen, sah ich Veritas zum erstenmal seit Monaten mit offenen Augen an. Der Sommer im Dienst der Gabe hatte wie im letzten Jahr seine Spuren an ihm hinterlassen. Das feine Hemd bauschte sich um seine Schultern, und in sein Haar mischte sich nun ebensoviel Grau wie Schwarz. Es gab auch Falten in seinem Gesicht, um Augen und Mund, die mir früher nicht aufgefallen waren.
    Sehe ich wirklich so armselig aus?
    Nicht für sie.
    Als Veritas ihre Hand nahm und sie neben sich auf eine Bank nahe beim Feuer zog, sah sie ihn mit einem Hunger an, der nicht weniger groß war als sein Verlangen nach der Gabe. Ihr Blick ließ ihn nicht los, und ich wandte mich ab. Vielleicht hatte Veritas recht mit seiner besonderen Sensitivität des Bewußtseins. Was Kettricken fühlte, drang ungemildert auf mich ein, wie der Blutrausch meiner Rudergefährten in der Schlacht.
    Ich spürte Erstaunen von Veritas, dann

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