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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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als eine böse Macht, wie einer kalter Wind, der Masten und Takelage eines Schiffes so dick mit Eis überzieht, daß es binnen kurzem kentert und kieloben auf den Wellen treibt.
    Die wenigen Menschen, denen nicht Angst den Mund verschloß, erzählten mir, Kebal hätte seinen Aufstieg damit begonnen, daß er die unabhängigen Piraten unter seinem Kommando vereinigte. Mit diesem Rückhalt machte er sich daran, die besten Navigatoren zu ›rekrutieren‹, die fähigsten Schiffsführer und die verwegensten Kämpfer, die in den Siedlungen zu finden waren. Wer sich ihm nicht anschließen wollte, mußte erleben, daß seine Familie entfremdet wurde, escral , wie es sie nennen. Dann überließ man ihn seinem Leid. Die meisten der so Gestraften sahen sich gezwungen, eigenhändig Familienangehörige zu töten; die Outislander haben strenge Gesetze, was die Pflicht eines Sippenältesten angeht, Ordnung in seinem Haus zu halten. Je mehr die Nachrichten von diesen Vorfällen sich ausbreiteten, desto weniger leistete man Kebal Steinbrot Widerstand. Manche flohen, ihre weitverzweigten Familien entgingen dennoch nicht dem Schicksal des Entfremdens. Andere entschieden sich für Selbstmord, auch ihre Familien blieben nicht verschont. Diese Beispiele führten dazu, daß bald niemand mehr den Mut hatte, sich Steinbrot zu widersetzen.
    Auch nur gegen ihn zu sprechen beschwor die Gefahr des escral herauf. So gering die Ausbeute an Informationen ist, die diese Reise mir eingebracht hat, auch dieses Wenige wurde nur unter großen Mühen zusammengetragen. Natürlich kursieren auch Gerüchte; was mir zu Ohren gekommen ist, liste ich im folgenden auf:
    Von einem ›weißen Schiff‹ wird gesprochen, von einem Schiff, das kommt, um Seelen zu spalten. Nicht, um sie zu rauben oder zu vernichten – um sie zu spalten. Man munkelt auch von einer bleichen Frau, die sogar Kebal Steinbrot fürchtet und verehrt. Einige Befragte brachten die Not ihres Landes mit dem bedrohlichen Vorrücken der ›Eiswale‹ oder Gletscher in Zusammenhang. Von jeher eine latente Bedrohung in den höhergelegenen Gebieten ihrer engen Täler, setzten sie sich vor verhältnismäßig kurzer Zeit in Bewegung und wuchsen schneller, als irgendein lebender Mensch sich erinnern kann. Sie bedeckten nach und nach den wenigen fruchtbaren Boden, den die Outislander besaßen, und brachten auf eine Weise, die niemand mir erklären konnte oder wolle, eine ›Veränderung des Wassers‹.«
     
    Am selben Abend noch ging ich, um den König aufzusuchen. Nicht ohne Bangen meinerseits. Er würde unser letztes Gespräch über Zelerita so wenig vergessen haben wie ich. Ich sagte mir, daß dieser Besuch nicht aus persönlichen Gründen erfolgte – sondern ich tat es für Kettricken und Veritas. Dann klopfte ich an. Wallace ließ mich widerstrebend ein. Der König saß in seinem Lehnstuhl am Feuer, der Narr kauerte zu seinen Füßen und starrte sinnend in die Flammen. Als ich eintrat, schauten beide auf. König Listenreich schien erfreut zu sein. Er deutete auf einen Stuhl und forderte mich auf, ihm zu berichten, wie mein Tag verlaufen sei. Auf meinen verwunderten Blick schenkte der Narr mir ein bitteres Lächeln. Ich setzte mich hin und wartete.
    König Listenreich schaute gütig auf mich nieder. »Nun, mein Junge? Hattest du einen angenehmen Tag? Laß hören.«
    »Ich hatte einen – sorgenvollen Tag, Majestät.«
    »Ach, wirklich? Nun, dann empfehle ich dir meinen Tee. Er wirkt wunderbar beruhigend. Narr, bring meinem Sohnessohn einen Becher Tee.«
    »Sehr gern, mein König. Ich tue es für Euren Gast sogar noch lieber als für Euch selbst.« Überraschend lebhaft sprang der Narr vom Boden auf. Eine dickbauchige Teekanne stand zum Wärmen in der Asche am Rand des Feuers. Der Narr schenkte daraus ein und reichte mir den Becher. »Trinkt, folgt dem Beispiel unsere Königs, und Ihr werdet heiter wie er.«
    Ich führte den Becher an die Lippen, atmete den Dampf ein und tauchte die Zungenspitze in die Flüssigkeit. »Ein wohlschmeckendes Getränk, aber macht Frohblüte nicht abhängig?«
    Er lächelte jovial. »Nicht in so geringer Dosis. Wallace hat mir versichert, es ist gut für meine Nerven und fördert meinen Appetit.«
    »Ja, wundersam fördert es den Appetit, denn je mehr man trinkt, desto durstiger wird man. Trink aus, Fitz, denn unzweifelhaft wirst du bald Gesellschaft haben, und je mehr du trinkst, desto weniger mußt du teilen.« Mit einer Geste gleich einer sich entfaltenden Blüte wies

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