Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder
König-zur-Rechten einzuholen? Bezweifelst du die Richtigkeit der Entscheidungen deines Monarchen, Fitz? Hast du vergessen, wohin du gehörst? Ich weiß, Veritas hat so etwas wie ein Schoßhündchen aus dir gemacht, und vielleicht sind dir deine Heldentaten mit der Axt zu Kopfe gestiegen, aber dein Gönner ist auf der Jagd nach einem Hirngespinst, und mir bleibt es überlassen, die Sechs Provinzen so gut wie möglich über Wasser zu halten.«
»Ich war dabei, als Ihr den Vorschlag, die Uralten zu suchen, unterstützt habt«, erinnerte ich ihn. König Listenreich schien immer noch in einen Tagtraum versunken zu sein. Er starrte unverwandt ins Feuer.
»Und das kann ich mir selbst nicht erklären«, entgegnete Edel glatt.
»Wie schon gesagt, du bildest dir allerlei Schwachheiten ein. Du sitzt am Hohen Tisch, die Largesse des Königs kleidet dich, und irgendwie scheinst du vergessen zu haben, daß dir aus diesen Wohltaten Pflichten erwachsen, keine Rechte. Laß mich dir sagen, wer du in Wirklichkeit bist, Fitz.« Edel schwieg einen Moment. Ich hatte den Eindruck, daß er den König anschaute, um abzuschätzen, wie weit er gehen konnte. »Du«, fuhr er dann mit gedämpfter, honigsüßer Stimme fort, »du bist der mißratene Bankert eines Versagers von einem Prinzen, der nicht einmal Rückgrat genug hatte, sich als König-zur-Rechten zu behaupten. Du bist der Enkel einer toten Königin, deren gewöhnliche Herkunft sich in dem gewöhnlichen Weib zeigt, das ihr ältester Sohn beschlief, um dich zu zeugen. Du, der du dich mit dem tönenden Namen FitzChivalric Weitseher schmückst, brauchst dich nur zu kratzen, um darunter Namenlos, den Stallburschen, zu finden. Sei dankbar, daß ich dich nicht zu den Misthaufen zurückschicke, sondern dir erlaube, weiter im Palas zu wohnen.«
Ich weiß nicht, was ich empfand. Nachtauge knurrte, weil er das Gift in Edels Stimme spürte, während Veritas in diesem Moment nicht vor einem Brudermord zurückgeschreckt wäre. Nur König Listenreich hatte nichts gehört und nichts gemerkt. Er hielt mit beiden Händen seinen Teebecher fest und träumte in die Flammen. Aus den Augenwinkeln sah ich den Narren. Auf seinem Gesicht malte sich Furcht, unsägliche Furcht. Und er schaute nicht Edel an, sondern mich.
Plötzlich wurde mir bewußt, daß ich mich erhoben hatte und in drohender Haltung vor Edel stand. Sein Blick flackerte für einen kurzen Moment, aber seine Miene verriet Triumph. Er wartete nur darauf, daß ich ihn schlug, damit er die Wachen rufen konnte. Hochverrat – das bedeutete den Strang. Ich bemühte mich, langsam auszuatmen, befahl meinen Fäusten, sich zu öffnen. Sie wollten nicht. Ruhig, sagte ich zu ihnen, ganz ruhig, oder ihr seid mein Tod. Erst als ich sicher war, daß meine Stimme mir wieder gehorchte, wagte ich zu sprechen.
»Mit ist heute abend manches klar geworden.« Ich wandte mich an König Listenreich. »Majestät, ich wünsche Euch eine gute Nacht und bitte um die Erlaubnis, mich entfernen zu dürfen.«
»Wie bitte? Dann hattest du also einen – beunruhigenden Tag, mein Junge?«
»Das ist richtig, Majestät.« Ich schaute in seine Greisenaugen, die zu mir aufblickten, und versuchte, ihn zu finden. Doch er war nicht dort. Nicht wie früher einmal. Er blinzelte verwirrt.
»Nun, dann solltest du dich vielleicht schlafen legen. Wie ich auch. Narr? Narr, ist mein Bett vorbereitet? Schieb die Wärmpfanne zwischen die Decken. Die Nächte sind so kalt dieser Tage. Ha! Da habe ich ein feines Wortspiel für dich, Narr. Wie würdest du es richtig sagen?«
Der Narr sprang auf und verneigte sich tief. »Ich würde sagen, auch die Tage atmen diese Nächte die Kälte des Todes, Majestät. Schade mögt Ihr finden, daß der Mond, die Sonne der Nacht, keine Wärme spendet, doch spendet er Trost und Weisheit, während das helle Tagesgestirn, so wir’s auch edel nennen, den Unbedachten oft mit seiner tückischen Glut versengt.«
König Listenreich kicherte in sich hinein. »Du redest wieder nur Unfug, Narr, aber wann hättest du je etwas anderes getan. Gute Nacht, gute Nacht, und ab ins Bett mit euch jungem Volk. Gute Nacht und gute Ruhe.«
Ich machte mich davon, während Edel sich noch etwas formeller von seinem Vater verabschiedete. Es war schwer, an Wallaces süffisant-servilem Lächeln vorbeizugehen, ohne es ihm aus dem Gesicht zu wischen. Der Versuchung glücklich entronnen, ging ich sofort in mein Zimmer. Klug sein und den Rat des Narren beherzigen, dachte ich – bei
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