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Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder

Titel: Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Hobb
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die Erinnerung an Ingot zurück; sie überfiel mich mit solcher Macht, daß ich im Sattel schwankte und die Hände um die Zügel zu Fäusten ballte, bis meine Knöchel sich weiß färbten. Die Zahl der Toten war erheblich größer, als wir erwartet hatten. Irgendwo spürte ich einen Wolf, der durch die zerstörte Menschenstadt trabte, und holte mir bei ihm Trost.
    Fuchsrot verfluchte uns allesamt mit erstaunlicher Zungenfertigkeit und ordnete dann die ihr verbliebenen Soldaten zu einem Keil. Gerade als wir die Roten Schiffe erreichten, wurde eins vom Strand hinuntergeschoben, bekam Wasser unter den Kiel und nahm, von wenigen Rudern angetrieben, schwerfällig Fahrt auf. Dagegen konnten wir nichts unternehmen, aber wir kamen rechtzeitig, um ein zweites Schiff am Entkommen zu hindern. Die Wache an Bord töteten wir mit überraschender Leichtigkeit. Es waren nicht viele, und sie fanden nicht einmal mehr Gelegenheit, ihre Gefangenen zu erschlagen, die gefesselt an Deck lagen.
    Also hatten die Roten Korsaren sich mit Gefangenen davonmachen wollen. Wohin? Zu einem Geisterschiff, das ich mir einbildete, gesehen zu haben? Allein der Gedanke an das Weiße Schiff ließ mich schaudern, und ich hatte das Gefühl, ein eiserner Ring würde sich um meinen Kopf zusammenziehen. Vielleicht hatten sie vorgehabt, ihre Gefangenen zu ertränken oder zu entfremden, was immer das Geheimnis hinter letzterem sein mochte. Ich hatte nicht die Muße, mir ausführlich Gedanken darüber zu machen, aber ich nahm mir vor, Chade davon zu berichten. Jedes der drei noch übrigen Schiffe hatte einen Trupp Bewaffneter an Bord, und wie von Burrich vorhergesagt, setzten sie sich verbissen zur Wehr. Ein Schiff wurde von einem übereifrigen Bogenschützen in Brand gesetzt, aber die anderen fielen uns unbeschädigt in die Hände.
    Als die Rurisk auf den Strand gezogen wurde, waren sämtliche Schiffe unser, und ich konnte die Atempause nutzen, um den Kopf zu heben und über die Bucht zu schauen. Keine Spur von dem Weißen Schiff, vielleicht war es wirklich nur eine Nebelbank gewesen. Hinter der Rurisk folgte die Constance und in ihrem Kielwasser eine Flottille von Fischerbooten und sogar ein paar Kauffahrer. Letztere waren gezwungen, wegen ihres größeren Tiefgangs draußen zu ankern, aber die Besatzungen ruderten in den Beibooten zum Ufer. Die Mannschaften der Kriegsschiffe warteten, bis ihre Kapitäne über die Lage in Kenntnis gesetzt worden waren, die Leute von den Fischerbooten und Kauffahrern aber eilten an uns vorbei in Richtung der belagerten Burg.
    Die Soldaten hatten sie jedoch bald eingeholt, und als wir am äußeren Wall anlangten, herrschte eine Atmosphäre der Zusammenarbeit, wenn auch noch ohne straffe Organisation. Die befreiten Gefangenen waren von Hunger und Durst geschwächt, erholten sich jedoch rasch und erwiesen sich durch ihre genaue Kenntnis der Befestigungsanlage als unschätzbare Helfer. Am Nachmittag war unsere Belagerung der Belagerer perfekt. Mit Mühe konnte Burrich durchsetzen, daß wenigstens eins von unseren Kriegsschiffen mit voller Besatzung im tiefen Wasser patrouillierte. Am nächsten Morgen stellte sich heraus, daß seine Vorsicht berechtigt war, als zwei weitere Rote Schiffe um den nördlichen Sporn der Bucht gesegelt kamen. Die Rurisk konnte sie vertreiben, aber sie gaben so leicht auf, daß bei uns keine rechte Freude aufkam. Wir wußten, sie würden sich ein Stück weiter oben an der Küste an irgendeinem anderen schutzlosen Dorf schadlos halten. Einige der Fischerboote nahmen verspätet die Verfolgung auf, allerdings ohne viel Aussicht, die mit je sechzehn Ruderpaaren bestückten Korsaren einzuholen.
    Am zweiten Tag des Wartens begannen wir uns zu langweilen und nach der ersten Euphorie die Unbequemlichkeiten wahrzunehmen. Das Wetter zeigte sich von seiner schlechtesten Seite. Das Hartbrot schmeckte nach Schimmel, und der Trockenfisch war nicht mehr so ganz trocken. Um unsere Moral zu stärken, hatte Herzog Kelvar die Fahne mit dem Bockswappen der Sechs Provinzen neben seiner eigenen Flagge aufgezogen, die über Seewacht wehte. Doch wie wir befolgte auch er die Strategie des Abwartens. Die Outislander waren eingekesselt. Weder hatten sie einen Ausfall versucht, noch machten sie Anstalten, sich ihrem früheren Vorhaben wieder zuzuwenden, den vierten Wall zu überwinden. Alles hielt still und wartete.
     
    »Du hörst nicht auf Warnungen. Hast es nie getan«, sagte Burrich geistesabwesend zu mir.
    Es war Nacht. Zum

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