Die Legende vom Weitseher 02 - Des Königs Meuchelmörder
erstenmal seit unserem Eintreffen hatten wir etwas Zeit, um uns zu unterhalten. Er saß auf einem Baumstamm, das verletzte Bein von sich weggestreckt; ich versuchte, mir am Feuer wenigstens die Hände zu wärmen. Das Feuer brannte vor einer behelfsmäßigen, zeltähnlichen Unterkunft, die für die Königin errichtet worden war. Burrich hatte gewollt, daß sie sich in einem der wenigen unbeschädigt gebliebenen Häuser in Guthaven einquartierte, aber sie hatte abgelehnt und darauf bestanden, bei ihren Soldaten zu bleiben. Die Angehörigen ihrer Leibgarde kamen und gingen nach Belieben, in ihrem Zelt und an ihrem Feuer. Burrich runzelte die Stirn über diese Ungezwungenheit, doch war er angetan von Kettrickens Loyalität ihrer Truppe gegenüber. »Dein Vater war genauso«, bemerkte er plötzlich, als zwei von Kettrickens Beschützerinnen aus der Unterkunft zum Vorschein kamen und weggingen, um zwei andere abzulösen, die auf Wache standen.
»Hat nicht auf Warnungen gehört?« fragte ich verwundert.
Burrich schüttelte den Kopf. »Nein. Auch bei ihm ein ständiges Ein und Aus, zu jeder Tages- und Nachtzeit. Ich habe mich immer gefragt, wann er die ruhige Minute gefunden hat, um dich zu zeugen.«
Ich muß schockiert ausgesehen haben, denn auch Burrich wurde rot. »Tut mir leid. Ich bin müde und mein Bein – macht Schwierigkeiten. Es ist mir so herausgerutscht.«
Für mich selbst überraschend, mußte ich lächeln. »Ist schon gut«, sagte ich und meinte es so. Als er hinter mein Geheimnis mit Nachtauge gekommen war, hatte ich befürchtet, er würde mich wieder aus seiner Nähe verbannen. Ein Spaß, wenn auch ein grober Spaß, war mir willkommen. »Was war mit den Warnungen?« erkundigte ich mich.
Er seufzte. »Du hast es gesagt. Wir sind, was wir sind. Und er hat es gesagt. Manchmal lassen sie einem keine andere Wahl. Sie ergreifen einfach von einem Besitz.«
Irgendwo in der Ferne heulte ein Hund. Vielleicht ein Hund. Burrich sah mich stirnrunzelnd an. »Ich kann ihn nicht beherrschen«, gab ich zu.
Und ich nicht dich. Weshalb sollen wir einer den anderen beherrschen wollen?
»Und er hält sich nicht aus vertraulichen Gesprächen heraus«, mußte ich hinzufügen.
»Auch nicht aus anderen persönlichen Dingen«, sagte Burrich schroff. Sein Tonfall war der eines Mannes, der weiß, wovon er spricht.
»Ich dachte, du hättest gesagt, du machst niemals Gebrauch von der – davon.« Selbst hier draußen, allein, wagte ich das verpönte Wort nicht auszusprechen.
»Tue ich auch nicht. Es kommt nichts Gutes dabei heraus. Ich will dir offen sagen, was ich dir früher schon begreiflich zu machen versucht habe. Sie verändert dich. Wenn du ihr nachgibst. Sie lebt. Wenn du sie schon nicht ausschließen kannst, dann öffne ihr wenigstens nicht Tür und Tor. Du darfst nicht…«
»Burrich?«
Wir beide zuckten zusammen. Es war Fuchsrot, die lautlos aus der Dunkelheit in den Lichtschein des Feuers getreten war. Wieviel hatte sie gehört?
»Ja? Gibt es ein Problem?«
Sie ging in die Hocke und streckte die roten Hände über die kläglichen Flammen. Nach einer Weile seufzte sie. »Ich weiß nicht. Wie soll ich es sagen? Wißt ihr, daß sie gesegneten Leibes ist?«
Burrich und ich wechselten einen raschen Blick. »Wer?« fragte er dann harmlos.
»Ich habe selbst zwei Kinder. Und ihre Leibgarde besteht zum großen Teil aus Frauen. Sie erbricht jeden Morgen und lebt fast nur von Himbeerblättertee. Sie kann den gesalzenen Fisch nicht einmal ansehen, ohne daß ihr übel wird. Sie sollte nicht hier sein, in Morast, Kälte und bei schlechtem Essen.« Sie deutete mit einer Kopfbewegung auf das Zelt.
Oh. Die Füchsin.
Sei still
»Sie hat uns nicht um unseren Rat gebeten«, meinte Burrich zurückhaltend.
»Die Lage hier ist unter Kontrolle. Es gibt keinen Grund, weshalb man sie nicht nach Bocksburg zurückschicken sollte.«
»Ich kann mir nicht recht vorstellen, die Königin-zur-Rechten irgendwohin ›zu schicken‹«, äußerte Burrich. »Sie müßte wohl eher selbst den Entschluß fassen.«
»Du könntest ihr den Vorschlag unterbreiten«, meinte Fuchsrot.
»Oder du«, konterte Burrich. »Du bist die Erste ihrer Garde. Von Rechts wegen bist du für ihr Wohl und Wehe verantwortlich.«
»Ich habe nicht jede Nacht vor ihrer Tür Wache gehalten«, wandte Fuchsrot ein.
»Vielleicht hättest du es tun sollen«, sagte Burrich. Und fügte abschwächend hinzu: »Jetzt, wo du Bescheid weißt.«
Fuchsrot blickte ins Feuer. »Mag
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